Wenn sich der Himmel über dem Golf von Morbihan mit tausenden bunten Segeln füllt, dann ist es wieder so weit: Die „Semaine du Golfe“ hat begonnen – und das mit einem gewaltigen Auftakt. Die 13. Ausgabe dieses einzigartigen maritimen Festivals wurde am Montag mit einer farbenprächtigen Parade eingeläutet, die Segelliebhaber aus aller Welt begeistert hat.
Die Stimme, die das Meer liebt
Gegen 15 Uhr knisterte es in den Funkgeräten der über 700 Boote, die sich am Eingang zum Golf versammelt hatten. Dann ertönte sie – die markante Stimme des französischen Schriftstellers Yann Quéffelec: „Sie betreten das schönste Segelrevier der Welt! Es lebe das Meer! Es lebe die Semaine du Golfe!“ Kein Zweifel, diese Eröffnungsworte hätten nicht kraftvoller ausfallen können. Quéffelec ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Schirmherr der diesjährigen Ausgabe – und ein leidenschaftlicher Segler mit einem Herz für die Bretagne.
Von wegen „kleine“ Parade
„Petite Parade“ nennt sich dieser erste Höhepunkt der Festwoche bescheiden. Doch klein? Eher nicht. Schon am ersten Tag waren mehr als 700 Segelboote dabei – vom majestätischen Großsegler bis zur wendigen kleinen Jolle. „Das ist schon eine ordentliche Zahl“, freut sich Veranstalter Bertrand Riguidel. Und am Samstag, zur großen Abschlussparade? Da sollen es mehr als 1.300 Boote und Schiffe sein. Ein gigantisches Spektakel auf dem Wasser, das man gesehen haben muss.
Speed auf See – die schnellste Parade des Westens
Trotz Montag – von wegen Wochenanfangsmüdigkeit. Die Häfen, Inselufer und Aussichtsplätze rund um den Golf waren gesäumt von Schaulustigen. Kein Wunder: Das Wetter spielte perfekt mit, der Wind pustete kräftig in die Segel und die Strömung zog durch den engen Zugang zum Golf. „Das ist der Pony-Express auf See“, witzelte Riguidel. „Das wird die schnellste Parade des Westens!“
Ex-Gip-Chef Paul Bonnel, der als Experte für die Region gilt, erklärt: „Der Startschuss fällt drei Stunden nach Niedrigwasser – da strömt das Wasser mit voller Kraft in den Golf. Und mit dem Wind im Rücken wird das eine rasante Angelegenheit!“ Ein Ausflug für Anfänger? Wohl kaum. Bonnel zwinkert: „Kein Wunder, dass die besten Segler alle von hier kommen!“
Ein Meer voller Geschichten
Was dieses Festival so besonders macht, ist nicht nur die schiere Masse an Schiffen und Booten – es sind die Geschichten, die jedes einzelne Schiff mit sich bringt. Da segeln Legenden wie La Recouvrance, Le Français, L’Étoile du Roi, der niederländische Morgenster oder das russische Schulschiff Shtandart Seite an Seite mit traditionellen Thunfischbooten wie der Biche oder kleinen offenen Yolen und Guépards.
Auf jedem dieser Boote sind Menschen, die nicht einfach nur segeln – sie leben für das, was sie tun. Ihre Boote sind keine bloßen Transportmittel, sondern schwimmende Zeitzeugen, sorgfältig restauriert und mit Liebe gepflegt. Viele dieser Schmuckstücke sind auch durch die Hände von Paul Bonnel und seinem Team gegangen – 35 Jahre lang leitete er die traditionsreichen Werften des Golfes. Für fast jedes dieser Boote kennt er eine Anekdote. Für manche gleich mehrere.
Und jetzt?
Der Startschuss ist gefallen – die Woche ist noch jung, die Segel sind gesetzt. Noch viele weitere Highlights stehen an: Konzerte, Ausstellungen, Treffen, kulinarische Entdeckungen und natürlich der große Showdown am Samstag mit der „Grande Parade“.
Also – warum nicht mal runter vom Sofa und rauf auf ein Boot oder zumindest an die Ufer des Golfs? Wer weiß, vielleicht begegnet man dort einem alten Seemann, der eine Geschichte zu erzählen hat. Oder man lässt sich einfach nur von der Magie dieser maritimen Welt mitreißen.
Denn, Hand aufs Herz: Wann sieht man schon mal über 700 Boote gemeinsam auf den Wellen tanzen?
Von Andreas M. Brucker
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