Am Morgen des 9. April 2025 veröffentlichte Donald Trump auf seiner Social-Media-Plattform die knappe, aber vielsagende Botschaft: „THIS IS A GREAT TIME TO BUY!!! DJT“. Nur wenige Stunden später folgte die überraschende Ankündigung einer 90-tägigen Aussetzung der von ihm eingeführten Reziprozitätszölle – mit Ausnahme Chinas, dessen Zollsätze auf 125 Prozent angehoben wurden. Die Märkte reagierten umgehend: Der Dow Jones stieg um mehr als 2.200 Punkte, der S&P 500 um 6,9 Prozent und der Nasdaq sogar um 8,7 Prozent.
Diese Korrelation zwischen der präsidialen Kaufempfehlung und der anschließenden Kehrtwende in der Zollpolitik hat führende Demokraten im US-Kongress alarmiert. Die Senatoren Adam Schiff und Ruben Gallego fordern eine dringende Untersuchung möglicher Verstöße gegen Ethik- und Handelsgesetze. Im Zentrum steht die Frage, ob Trump, seine Familie oder Mitglieder seiner Administration von nicht-öffentlichen Informationen profitierten – also mutmaßlich Insidergeschäfte tätigten, bevor die Entscheidung über die Zollpause bekannt gemacht wurde.
Der zeitliche Ablauf wirkt zumindest aus Sicht der Kritiker brisant. Die öffentliche Erklärung Trumps, es sei ein guter Zeitpunkt zum Aktienkauf, fiel auffällig mit der anschließenden Marktreaktion zusammen. Für die Senatoren liegt nahe, dass die Information über die bevorstehende Zollpause im Vorfeld einem engen Kreis zugänglich gewesen sein könnte. Besonders im Fokus stehen auch prominente Berater des Präsidenten, darunter Elon Musk, der nach Medienberichten zuletzt verstärkt Einfluss auf wirtschaftspolitische Entscheidungen genommen haben soll.
Die demokratischen Senatoren fordern Antworten auf konkrete Fragen: Wer hatte wann Kenntnis von der geplanten Aussetzung der Zölle? Gab es interne Abstimmungen zwischen dem Präsidenten, Familienmitgliedern oder wirtschaftlichen Beratern, die nahelegen, dass bestimmte Marktakteure durch vorzeitiges Wissen bevorzugt wurden? Und: Wurden im Vorfeld ungewöhnlich hohe Handelsaktivitäten verzeichnet, etwa durch Aktienkäufe im Namen von Kongressmitgliedern oder aus deren Umfeld?
Auch die prominenten Parteikollegen Elizabeth Warren und Dick Durbin äußerten sich mit Nachdruck. Warren betonte, eine Untersuchung müsse unabhängig und parteiübergreifend erfolgen, um das Vertrauen in staatliche Institutionen zu sichern. Durbin wiederum warnte vor einem systemischen Muster: Es sei nicht das erste Mal, dass der Eindruck entstehe, wirtschaftspolitische Entscheidungen würden auch persönliche Vermögensinteressen bedienen.
Die Reaktion des Weißen Hauses ließ nicht lange auf sich warten. Ein Sprecher erklärte, es sei die Aufgabe des Präsidenten, in unsicheren Zeiten wirtschaftliche Zuversicht zu vermitteln. Hinweise auf unlautere Absichten wies er entschieden zurück und warf den Medien eine gezielte Dramatisierung vor.
Unterdessen wächst auch der politische Druck aus dem linken Lager des Kongresses. Die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez forderte auf der Plattform X, dass alle Mitglieder des Kongresses, die in den letzten 48 Stunden Aktienkäufe tätigten, dies unverzüglich offenlegen sollten. Die Ereignisse zeigten einmal mehr die Notwendigkeit, Insiderhandel unter Abgeordneten generell zu verbieten.
Der Fall wirft grundlegende Fragen zur Trennschärfe zwischen staatlicher Macht und privaten Interessen auf. Wenn wirtschaftspolitische Entscheidungen derart direkte Marktreaktionen hervorrufen, ist Transparenz von entscheidender Bedeutung. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat zwar das Mandat, Märkte zu beruhigen und wirtschaftliche Entwicklungen zu kommentieren – doch sobald konkrete politische Entscheidungen ins Spiel kommen, die kurz darauf massive Kursgewinne nach sich ziehen, ist die Grenze zur Marktmanipulation schnell erreicht.
Gerade im Vorfeld eines möglichen Wahlkampfs im kommenden Jahr kommt der Vorwurf zu einem heiklen Zeitpunkt. Trump inszeniert sich erneut als wirtschaftlicher Stabilitätsgarant und nutzt die Börsenentwicklung als Beleg für seine ökonomische Kompetenz. Doch die politische Opposition sieht darin eine gefährliche Verquickung von Amt und Eigeninteresse.
In den kommenden Tagen wird sich zeigen, ob die Ethikbehörden der US-Regierung auf die Forderung der Senatoren reagieren und eine formelle Untersuchung einleiten. Die Frist für die geforderten Antworten wurde auf den 18. April gesetzt – ein symbolträchtiges Datum, das auch in der öffentlichen Wahrnehmung an Gewicht gewinnen dürfte. Sollte sich der Verdacht erhärten, könnten die Konsequenzen über den aktuellen Zyklus hinausreichen. Denn dann stünde nicht nur Trumps wirtschaftspolitische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel, sondern auch das Vertrauen in die Integrität des höchsten Staatsamtes der Vereinigten Staaten.
Von Andreas Brucker
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