Tag & Nacht




Dort, wo einst der Erste Weltkrieg seine Spuren in die Erde brannte, wächst heute wieder Leben – zart, verletzlich, aber voller Hoffnung. Auf dem Douaumont-Plateau bei Verdun entfaltet sich derzeit eine stille, aber tiefgreifende Revolution: Die seltenen Kalkmagerrasen werden restauriert – mit Hilfe von Rubbellosen.


Alte Schlachtfelder, neue Lebensräume

Auf den ersten Blick wirken die Kalkrasen von Douaumont unscheinbar. Doch was da zwischen kargem Boden und den letzten Granattrichtern gedeiht, ist ein Hotspot der Artenvielfalt. Diese offenen Lebensräume gehören zu den ökologisch wertvollsten Biotopen Europas – und sie sind akut bedroht.

Sträucher, Dornengestrüpp, junge Bäume – sie dringen Jahr für Jahr weiter vor, machen die Flächen dichter. Ohne Eingriff verschwinden spezialisierte Arten wie der Bunte Gimpel, die Schlingnatter oder der Thymian-Ameisenbläuling. Und mit ihnen ein ganzes Ökosystem.


Ein Lotto-Schein für die Natur

Rettung kam in Form eines Spielscheins. Der „Mission Nature“-Rubbelkalender der französischen Lotteriegesellschaft FDJ sammelte Gelder für ausgewählte Biodiversitätsprojekte – und die Kalkrasen von Verdun gehörten zu den 20 Auserwählten.

Mit 350.000 Euro Fördermitteln konnte ein ehrgeiziger Plan in die Tat umgesetzt werden. Fast zehn Hektar Fläche sollen freigelegt, invasives Gehölz entfernt und das Gebiet ökologisch gepflegt werden. Sorgfältig und größtenteils von Hand – denn Maschinen wären hier fehl am Platz.

Das ist kein Schnellschuss, sondern gelebte Verantwortung.


Ökologie mit Geduld und Pausen

Interessant: Die Arbeiten mussten zwischenzeitlich pausieren – aus Rücksicht auf brütende Vögel. Erst ab Oktober darf wieder Hand angelegt werden. Ein gutes Zeichen dafür, wie ernst man den Schutzgedanken nimmt. Bis Jahresende sollen bis zu 90 Prozent der Fläche wieder als offenes Biotop erkennbar sein.

Und wie reagieren die Tiere? Erste Rückkehrer wurden bereits gesichtet – die Natur bedankt sich prompt, wenn man ihr Raum lässt.


Gemeinsam für die Artenvielfalt

Das Projekt zeigt eindrucksvoll, was entstehen kann, wenn öffentliche und private Akteure an einem Strang ziehen. Die Zusammenarbeit zwischen dem französischen Forstamt (ONF), der Lotteriegesellschaft und lokalen Partnern wirkt vorbildlich.

Noch schöner ist aber die Rolle der Bürger. Denn jeder Rubbelgewinn finanzierte eben auch ein Stückchen Artenvielfalt – ein fast poetischer Gedanke.

Wer hätte gedacht, dass aus einem simplen Los ein ganzer Lebensraum gerettet werden kann?


Modellprojekt mit Signalwirkung

Verdun steht exemplarisch für viele andere bedrohte Landschaften in Frankreich. Überall dort, wo traditionelle Nutzungsformen fehlen, droht der Verlust einzigartiger Ökosysteme. Die Botschaft ist klar: Wer Natur erhalten will, muss aktiv gestalten – nicht nur beobachten.

Wiesen müssen gemäht, Ziegenherden müssen grasen, und manchmal müssen eben auch Motorsägen ran. Nur so bleibt das Gleichgewicht erhalten, das über Jahrtausende gewachsen ist.


Erinnerung trifft Zukunft

Dass dieses Projekt ausgerechnet in Verdun stattfindet – dem Inbegriff des Schreckens des 20. Jahrhunderts – verleiht ihm zusätzliche Tiefe. Auf den Flächen, wo einst Kanonen donnerten, blühen nun Enzian und Thymian. Das ist mehr als Renaturierung – das ist Versöhnung mit der Geschichte durch einen Blick nach vorn.

So entsteht aus einer Kriegslandschaft ein Ort der Hoffnung. Eine stille Lektion in Sachen Nachhaltigkeit – und eine, die Schule machen sollte.

Von C. Hatty

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!