Immer mehr europäische Länder rutschen ab – nicht nur wirtschaftlich oder demokratisch, sondern auch beim Schutz der Rechte queerer Menschen. Der neueste „Rainbow Index 2025“ von Ilga-Europe zeigt: Die Entwicklung ist alarmierend.
Malta bleibt zwar weiterhin das queerfreundlichste Land Europas, doch das ist eine der wenigen guten Nachrichten im diesjährigen Bericht. Frankreich, einst ein Leuchtturm der Gleichstellung, rutscht auf Platz 15 ab. Zwei Plätze tiefer als im Vorjahr – ein symbolischer Rückschritt, der zum Sinnbild für eine besorgniserregende Tendenz in ganz Europa wird.
Ein Index, der mehr ist als nur eine Rangliste
Der Rainbow Index analysiert seit Jahren die Gesetzgebung und Praxis in 49 europäischen Staaten. Es geht um rechtliche Anerkennung, Schutz vor Diskriminierung, Zugang zu Gesundheitsversorgung, aber auch um politische Signale und gesellschaftliches Klima. All das spiegelt sich in Zahlen wider – und in Geschichten von realen Menschen, die immer häufiger an Sicherheit und Rechten verlieren.
Besonders düster sieht es dieses Jahr in Ungarn, Georgien und dem Vereinigten Königreich aus. In Ungarn wurde im März 2025 erstmals innerhalb der EU die Pride-Parade per Gesetz verboten. Das Land fällt damit auf Platz 37 zurück. Ein Schock für viele – aber leider kein Einzelfall.
Großbritannien: Vom Vorreiter zur Warnung
Das Vereinigte Königreich war einst Vorbild in Europa – jetzt ist es nur noch ein mahnendes Beispiel. Der Rückfall von Platz 16 auf Platz 22 zeigt, was passiert, wenn Rechtsprechung und Politik Hand in Hand gegen Minderheiten arbeiten. Die Entscheidung des britischen Supreme Court, den Begriff „Frau“ ausschließlich biologisch zu definieren, hat einen massiven Backlash gegen trans Personen ausgelöst. Ein Klima, das in der Bevölkerung Wellen schlägt – und nicht zum Guten.
Georgien: Ein autoritärer Rückfall
In Georgien, wo bereits 2024 ein Gesetz gegen sogenannte „LGBT-Propaganda“ verabschiedet wurde, spitzt sich die Lage weiter zu. Ein Gesetz, das nichts anderes ist als ein Maulkorb für queere Stimmen, wird nun zum Werkzeug der Unterdrückung. Und als wäre das nicht genug, wächst parallel der politische Einfluss rechtspopulistischer Gruppen, nicht nur dort, sondern auch in Deutschland, Österreich, Belgien und den Niederlanden.
Man fragt sich: Was passiert gerade mit Europa?
Frankreich in der Schwebe – zwischen Anspruch und Realität
Frankreichs Rückfall auf Platz 15 mag auf den ersten Blick weniger dramatisch erscheinen, doch auch hier ist Vorsicht geboten. Es geht um versäumte Reformen: fehlende gesetzliche Selbstbestimmung für trans Personen, keine klare Gesetzgebung gegen medizinische Eingriffe an intersexuellen Minderjährigen, und die Zivilgesellschaft kämpft zunehmend mit Auflagen, wenn es um Fördermittel geht.
Die Kritik von Ilga-Europe ist deutlich: Frankreich müsse jetzt aktiv werden – nicht morgen, nicht übermorgen. Sondern jetzt.
Hoffnungsträger mit Abstrichen
Es gibt Lichtblicke – wenn auch wenige. Deutschland hat immerhin seine Regeln zur Anerkennung von Geschlechtsidentitäten reformiert. Und Österreich hat 2024 als einziger Staat den Diskriminierungsschutz ausgeweitet. Kleine Schritte inmitten eines allgemeinen Rückwärtstrends.
Doch diese Einzelinitiativen reichen nicht. „Die Rechte von LGBT+-Personen werden systematisch untergraben – im Namen von Ordnung und öffentlicher Moral“, warnt Ilga-Europe. Ein Satz, der in seiner Schlichtheit erschüttert.
Was jetzt zählt: Haltung zeigen
Katrin Hugendubel, Direktorin von Ilga-Europe, fordert entschlossenes Handeln. Es gehe nicht mehr um Symbolpolitik, sondern um konkrete Maßnahmen. Regierungen müssten sich klar positionieren, bevor sich die gezielten Angriffe auf queere Gemeinschaften in Europa als neue Normalität etablieren.
Und genau das ist der Punkt: Wenn Demokratien die Rechte ihrer Minderheiten nicht mehr schützen, wer tut es dann?
Vielleicht sollten wir uns öfter fragen, wie viel Gleichheit wir wirklich bereit sind zu verteidigen – nicht nur auf dem Papier, sondern im Alltag, im Gesetz und im Herzen unserer Gesellschaft.
Von C. Hatty
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