Tag & Nacht




Lärm kann müde machen, krank – sogar taub. Und doch arbeiten Millionen Franzosen tagtäglich in Umgebungen, die alles andere als leise sind. Laut einer aktuellen Studie von Santé publique France war im Jahr 2019 mehr als jeder fünfte Beschäftigte in Frankreich dauerhaft einem Lärmpegel von über 70 Dezibel ausgesetzt – und das für mindestens acht Stunden täglich.

Das entspricht etwa dem Lärmpegel einer vielbefahrenen Straße oder eines Staubsaugers in unmittelbarer Nähe. Klingt harmlos? Ist es nicht. Denn bei diesem Geräuschpegel muss man bereits die Stimme erheben, um sich normal zu unterhalten. Und wer so einem Umfeld dauerhaft ausgesetzt ist, riskiert mehr als nur ein Pfeifen im Ohr.

Knapp fünf Millionen Menschen waren betroffen. Besonders gefährdet: Männer – sie machen fast 80 Prozent der Lärmexponierten aus. Aber auch Frauen trifft es, vor allem, wenn sie selbstständig in der Landwirtschaft, Industrie oder im Bau arbeiten. Und obwohl die Gesamtzahl der Lärmgeplagten seit 2007 leicht rückläufig ist, bleibt das Problem virulent.

Ein Drittel dieser Betroffenen war sogar sogenannten „läsionalen“ Lärmpegeln ausgesetzt. Das heißt konkret: dauerhafte Schäden drohen. Schwerhörigkeit, chronische Ohrgeräusche (Tinnitus) oder gar vollständiger Hörverlust sind keine Seltenheit. Doch auch unterhalb dieser Schwelle sind die Auswirkungen spürbar – und zwar körperlich wie psychisch: Schlafprobleme, Herz-Kreislauf-Beschwerden, chronischer Stress und allgemeine Erschöpfung gehören zu den Begleiterscheinungen.

Ein Blick auf die Branchen verrät wenig Überraschendes: Das Bauwesen und der Bereich der öffentlichen Arbeiten stehen ganz oben auf der Liste der lautesten Arbeitsplätze. Hier ist der Lärm meist nicht nur konstant, sondern auch besonders intensiv. Es folgen Berufe im Transportwesen, in der Logistik und im Tourismus. Besonders auffällig: In der Metallverarbeitung liegt der Anteil lärmexponierter Beschäftigter bei stolzen 78 Prozent – obwohl dieser Bereich vergleichsweise wenige Beschäftigte zählt.

Doch warum ist das Thema trotz bekannter Risiken nach wie vor so präsent? Vielleicht, weil Lärm auf lange Sicht schleichend wirkt. Man gewöhnt sich daran, nimmt ihn irgendwann nicht mehr bewusst wahr – bis es zu spät ist. Und wer gibt schon zu, dass der ständige Lärm auf der Baustelle oder in der Werkshalle einem nachts den Schlaf raubt?

Hinzu kommt: Viele Unternehmen investieren lieber in neue Maschinen als in wirksame Lärmschutzmaßnahmen. Dabei könnten bereits einfache Dinge helfen – Ohrschützer, leisere Geräte oder durchdachte Raumgestaltung. Doch oft scheitert es an der Priorisierung: Sichtbare Gefahren wie herabfallende Gegenstände oder rutschige Böden lassen sich einfacher kommunizieren als unsichtbare Risiken wie Lärm.

Was ebenfalls auffällt: Der Beschäftigungsstatus spielt bei Männern offenbar keine große Rolle – sie sind unabhängig davon, ob sie angestellt oder selbstständig sind, gleichermaßen betroffen. Bei Frauen sieht das anders aus. Besonders selbstständige Frauen in klassischen „Männerbranchen“ wie Bau oder Industrie sind überdurchschnittlich stark gefährdet. Ein Spiegelbild der oft prekären Arbeitsbedingungen?

Manche Expertinnen fordern längst ein Umdenken – mehr Bewusstsein, mehr Prävention, mehr Kontrolle. Denn gute Ohren sind kein Luxus, sondern Voraussetzung für ein gesundes Leben.

Und mal ehrlich: Wer will schon in Rente gehen – mit Pfeifen im Ohr und permanentem Brummen im Kopf?

Catherine H.

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