Tag & Nacht

Etwa 50 Haiarten leben im Mittelmeer. Manchmal verirren sie sich sogar bis direkt an die Küsten, wie das Weibchen, das im April in Marseille gefilmt wurde. Die Angst vor Haien ist in der kollektiven Vorstellungswelt tief verwurzelt. Experten erklären jedoch, dass es dafür keinen Grund gibt.

Das letzte Exemplar, das im April 2019 in französischen Mittelmeergewässern gesichtet wurde, war ein weiblicher Blauhai. Sie war trächtig und hatte sich für einige Tage in den Hafen von L’Estaque in Marseille zurückgezogen.

Der Blauhai, auch Blaue-Haut-Hai genannt, wird regelmäßig im Mittelmeer – auch vor den Küsten Frankreichs – gesichtet. „Vor allem im Sommer gibt es Tausende von Blauhaien vor der Küste“, erklärt Nicolas Ziani, Meeresbiologe und Gründer der Groupe phocéen d’études des requins gegenüber France 3.

„Sie bleiben an der Oberfläche, weil sie sehr empfindlich auf die Wassertemperatur und die Sonne reagieren. Man sieht sie in den Häfen und Buchten. Sie kommen in die Küstengewässer, um nach Nahrung zu suchen oder zu gebären. Jeden Sommer sieht man einen von ihnen in einem Hafen. Der Blauhai ist ein Opportunist, er wird von essbarem Müll angezogen“.

Ungefährlich für den Menschen
Der Blauhai ist für den Menschen ungefährlich. Das gilt für die meisten der 50 im Mittelmeer nachgewiesenen Arten, von denen die große Mehrheit ihren Lebensraum in der Tiefe nie verlässt. Einige Haie leben in einer Tiefe von bis zu 4.000 Metern.

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mensch jemals ein Exemplar von ihnen zu Gesicht bekommt, ist gering. Die anderen, an der Meeresoberfläche lebenden Haiarten, werden von Experten als harmlos eingestuft und bewegen sich in der Regel sehr weit von der Küste entfernt im offenen Meer.

Der einzige für den Menschen gefährliche Hai ist der Weiße Hai, und der ist so gut wie ausgestorben, nur in der Adria gibt es noch ein paar vereinzelte Exemplare. Im Jahr 2012 glaubte man, einen an der französischen Küste gesehen zu haben, aber es handelte sich um einen Mako-Hai und der ernährt sich nur von großen Fischen.

Der Mako gehört zur Familie des Weißen Hais. Ein Prachtexemplar wurde von dem Taucherbiologen und Unterwasserfotografen Anthony Leydet eingefangen, der den Schnappschuss, der in den Gewässern des Nationalparks Calanques in der Nähe von Marseille aufgenommen wurde, auf seinem Instagram-Account geteilt hat:

Die Haifischpopulation im Mittelmeer wird auf etwa 500 Tiere geschätzt. Unter ihnen gibt eine sehr große Vielfalt. Die meisten werden nicht größer als zwei Meter.

In der Tiefsee leben auch größere Exemplare wie der großäugige Fuchshai, der Hammerhai oder der Riesenhai, ein völlig harmloser, wenn auch beeindruckender Plankton fressender Riese mit einer Länge von 10 Metern.

Mako, Heringshai, Weißer Hai, Bullenhai, Grimmiger Hai, Blauhäutiger Hai, Hammerhai, Grauer Hai, Dornhai, Gemeiner Zentriner, Gemeiner Kummerhai, Gemeiner Engelhai – diese 12 Arten aus dem Mittelmeer stehen auf der weltweiten Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten, die von Experten der International Union for Conservation of Nature (IUCN) erstellt wurde.

Der Verein Longitude 181, der seit 2002 Sensibilisierungsmaßnahmen für die breite Öffentlichkeit durchführt, hat ein Poster mit den schützenswerten Arten des Mittelmeers veröffentlicht:

Laut IUCN sind die Populationen von Blauhai, Gewöhnlichem Hammerhai, Weißem Hai, Schwarzem Hai und Gewöhnlichem Kummerhai zwischen 2007 und 2016 stark zurückgegangen.

Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich, vor allem der Beifang in Netzen, Plastikmüll und die Schädigung ihres natürlichen Lebensraums durch den Menschen. Auch die langsame Fortpflanzung einiger Arten wirkt sich gegen sie aus. Weibchen des Weißen Hais erreichen ihre Geschlechtsreife erst mit 12 Jahren, sie bekommen nur wenige Junge und die Tragezeit dauert zwischen 7 Monaten und 2 Jahren.

„Der Klimawandel und seine Auswirkungen auf das marine Ökosystem führen ebenfalls zu Veränderungen der Umwelt, die die Art bedrohen, indem sie die Verteilung der Populationen sowie die ihrer Beutetiere beeinflussen“, mahnt der WWF, der sich weltweit für das Überleben der Haie einsetzt.
Im Mittelmeer sind 16 von 32 Arten einem hohen Aussterberisiko ausgesetzt, also die Hälfte!


Ein schlechter Ruf
Der Hai ist unbeliebt und es fällt schwer, Mitgefühl der breiten Öffentlichkeit für ihn zu wecken. Die Pappmaché-Kiefer des Film-Hais von Steven Spielberg haben Badegäste auf der ganzen Welt nachhaltig traumatisiert. Seit 1975 hält sich die Angst vor dem vermeintlichen Menschenfresser hartnäckig.
Dabei sollen seit dem Mittelalter nicht mehr als 100 Angriffe auf Menschen im Mittelmeer gezählt worden sein. In Frankreich wurden in überhaupt nur fünf Angriffe gezählt. Der letzte Hai-Angriff fand 1989 in italienischen Gewässern bei einer Unterwasserjagd statt. Der Hai wurde durch die Nervosität und Verletzungen der Fische angelockt.

Ein Schüchterner Bursche
Bei einer zufälligen Begegnung mit einem Menschen ist es meist der Hai, der von beiden am meisten Angst hat. Der Hai ist scheu. 2012 wurde ein 5-Meter-Hai gesehen, der um ein Boot herumschwamm, als man sich ihm näherte, floh er. Beim Anblick eines Menschen suchen die meisten Haie ihr Heil in der Flucht.
„Er interessiert sich nicht für den Menschen, es sei denn, er wird mit blutenden Fischen im Wasser geködert“, betont der Biologe Nicolas Ziani gegenüber France 3.

Dennoch Tauchern und Schwimmern, die einem Hai begegnen, empfohlen, sich nicht zu nähern und nicht zu versuchen, den Hai zu berühren. Dies könnte ein Abwehrverhalten auslösen. Man weiß nie, wie ein Hai reagiert, wenn er gestresst oder verletzt ist.

Regulatoren für andere Arten
Wer einen Hai in den Küstengewässern der französischen Mittelmeerregionen beobachtet, sollte die Behörden und Tierschutzorganisationen alarmieren, da Haie für die Erhaltung der marinen Ökosysteme unerlässlich sind.

„Sie sind endständige Raubtiere, sie fressen kranke und tote Tiere. Sie sind Schlüsselregulatoren für andere Arten“, sagt Nicolas Ziani, „man muss sie respektieren“.


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