Tausende Menschen gingen in der vergangenen Woche auf die Straße, um gegen Versuche der ukrainischen Regierung zu protestieren, zwei unabhängige Antikorruptionsbehörden zu entmachten. Präsident Wolodymyr Selenskyj sah sich gezwungen, zurückzurudern und die Unabhängigkeit der Institutionen wiederherzustellen. Die Protestierenden haben – vorerst – gewonnen.
Diese öffentliche Unmutsbekundung durchbrach ein Tabu, das seit Beginn der russischen Invasion galt: Kritik an der Regierung und Gefährdung der inneren Einheit in Kriegszeiten. Doch sehen die Demonstrierenden den Kampf für den Erhalt demokratischer Institutionen als so grundlegend, dass er nicht bis zum Ende des Krieges warten kann. Denn eben diese Institutionen sind es, die den Kern des ukrainischen Widerstands gegen Russland bilden.
Die Ukraine kämpft an zwei Fronten – gegen Russland und gegen die Korruption. Doch in gewisser Weise handelt es sich um denselben Kampf: einen für die Demokratie.
Ein Teil der Wut speist sich aus dem Gefühl, Selenskyj habe einen Verrat begangen. Er wurde 2019 mit einem dezidierten Antikorruptionsprogramm gewählt. In der vergangenen Woche unterzeichnete er jedoch ein Gesetz, das die beiden bislang unabhängigen Antikorruptionsbehörden unter staatliche Kontrolle stellen sollte – just in dem Moment, in dem diese Ermittlungen gegen Abgeordnete seiner Partei und Mitglieder seines Kabinetts führen. (Gegen Selenskyj selbst wird nicht ermittelt.)
Die Empörung erklärt sich auch aus der politischen Sprengkraft des Themas Korruption. Für viele Ukrainerinnen und Ukrainer ist es eng verknüpft mit der Geschichte und der künftigen Ausrichtung ihres Landes.
Ein Grund, warum die jüngsten Proteste als so bedeutsam empfunden werden, liegt in ihrer historischen Parallele zu den Demonstrationen von 2014 – am selben Ort, dem Maidan-Platz in Kiew. Damals richtete sich der Protest unter anderem gegen die russlandfreundliche Haltung des damaligen Präsidenten Wiktor Janukowytsch, einem engen Vertrauten Putins, der eine Annäherung der Ukraine an Westeuropa blockierte.
Auch 2014 ging es um Korruption. Janukowytschs unrechtmäßig erworbener Reichtum galt als Sinnbild für die weitverbreitete Kleptokratie im Land. Und ein Staat mit dem Ruf als korruptestes Land Europas hätte – unabhängig von der politischen Führung – niemals Aussicht auf einen EU-Beitritt gehabt.
Die Maidan-Proteste führten nicht nur zum Sturz Janukowytschs, sondern auch zur Besetzung der Krim durch Russland im selben Jahr – und, wie viele Beobachter meinen, letztlich zur umfassenden Invasion im Jahr 2022. Mit anderen Worten: Der Kampf für gute Regierungsführung ist untrennbar mit dem heutigen Kriegsgeschehen verbunden.
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US-Präsident Trump gab bekannt, die EU habe zugesagt, US-Energieprodukte im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen und ihre Investitionen in den USA um über 600 Milliarden Dollar zu erhöhen. Das Abkommen könnte zur Beruhigung der wirtschaftlichen Beziehungen beitragen und Sorgen vor einem eskalierenden Handelskonflikt dämpfen.
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