Tag & Nacht




Vier Mitarbeiter, vier Sandwichs – und ein Sturm der Entrüstung. Am Flughafen Marseille-Provence wurden jüngst vier Beschäftigte der Gastronomiekette SSP, darunter bei Starbucks und Prêt-à-Manger, fristlos entlassen. Der Grund: Sie hatten abends unverkaufte Lebensmittel an Obdachlose und Kollegen verteilt. Ihr Arbeitgeber sprach von „grober Pflichtverletzung“. Viele sehen darin jedoch vor allem eines – einen eklatanten Mangel an Menschlichkeit.


30 Jahre Dienst – und dann das

Einer der Betroffenen, Sabri, war drei Jahrzehnte lang im Terminal 1 tätig. Jeden Abend nahm er die nicht verkauften Sandwichs, meldete sie ordnungsgemäß ab und übergab sie an Bedürftige in der Umgebung des Flughafens – Menschen, die er zum Teil seit Jahren kannte. Auch Reinigungskräfte und Sicherheitsleute profitierten gelegentlich davon. Laut Sabri war die Praxis bekannt – und geduldet.

Bis plötzlich die Kündigung kam. Ohne Vorwarnung. Ohne Gespräch. Vier Kollegen traf es gleichzeitig.


Der Müllcontainer ist Vorschrift

Das Unternehmen SSP beruft sich auf interne Regelungen: Lebensmittel, die nicht verkauft wurden, seien laut Vertrag zu vernichten – nicht zu verschenken. Verstöße gelten als „schwerwiegendes Fehlverhalten“. Juristisch mag das stichhaltig sein. Moralisch? Darüber lässt sich streiten.

Denn seit 2016 existiert in Frankreich die sogenannte Loi Garot, ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung. Es verpflichtet große Supermärkte, unverkaufte Ware an karitative Organisationen abzugeben. Auch wenn diese Regelung nicht explizit für Gastronomiebetriebe wie SSP gilt – sie setzt ein gesellschaftliches Signal: Wegwerfen ist keine Lösung.


Solidarität statt Sanktion

Die entlassenen Mitarbeiter sehen sich zu Unrecht bestraft. Ihre Motivation sei nicht Eigennutz gewesen, sondern Empathie – und ein Beitrag zur Reduzierung von Verschwendung. Unterstützung erhalten sie von Gewerkschaften, Aktivisten und vielen Bürgern, die in sozialen Netzwerken unter Hashtags wie #PasUneFaute eine Rücknahme der Kündigungen fordern.

Der Fall wirft grundlegende Fragen auf: Was zählt mehr – der Vertrag oder der gesunde Menschenverstand? Und wie gehen wir als Gesellschaft mit dem um, was täglich im Müll landet, obwohl es Leben retten könnte?


Recht contra Gerechtigkeit

Juristisch stehen die Chancen auf Wiedereinstellung ungewiss. Die vier Betroffenen wollen vor dem Arbeitsgericht klagen – das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen. Doch selbst wenn sie Recht bekommen: Der Imageschaden für das Unternehmen SSP ist bereits da. In Zeiten, in denen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung groß geschrieben werden, wirkt so ein Vorgehen nicht nur kalt, sondern regelrecht aus der Zeit gefallen.


Ein Sandwich kann viel bedeuten

Es ist mehr als nur ein belegtes Brot. Es ist ein Symbol – für Mitgefühl, für den Versuch, aus wenig viel zu machen, für gelebte Solidarität. Dass genau das sanktioniert wird, sorgt zurecht für Empörung.

Und ganz ehrlich: Sollte es nicht eher belohnt werden, wenn jemand etwas Gutes tut, ohne dabei etwas für sich zu verlangen?

Von C. Hatty

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