Es gibt Daten, die im Geschichtsbuch zwar nicht auf den ersten Seiten stehen, aber dennoch wie kleine Nähte das große Gewebe der Weltgeschichte zusammenhalten. Der 28. November ist so ein Datum. Auf den ersten Blick unscheinbar – auf den zweiten faszinierend.
Werfen wir einen Blick auf das, was an einem solchen Tag weltweit – und besonders in Frankreich – geschah.
Beginnen wir ganz groß.
Im Jahr 1943 trafen sich in Teheran drei Männer, deren Namen die Landkarten neu schreiben sollten: Roosevelt, Churchill und Stalin. Ihre Teheran-Konferenz, die am 28. November begann, war ein Wendepunkt im Zweiten Weltkrieg. Sie einigten sich auf die Eröffnung einer zweiten Front in Westeuropa – später die Landung in der Normandie. Auch die Nachkriegsordnung stand auf dem Zettel: Deutschlands Zukunft, Osteuropa, und die Rolle der UNO.
Nicht weniger spektakulär, aber viel weiter zurück, liegt ein anderes Ereignis, das die Welt umrundete – wortwörtlich. Am 28. November 1520 erreichte Ferdinand Magellan mit seiner Expedition nach einer waghalsigen Durchfahrt durch die stürmische Magellanstraße den Pazifik. Er nannte ihn „friedlich“, was bei einem Ozean mit Taifunen und Monsterwellen beinahe ironisch klingt. Trotzdem – mit diesem Moment öffnete sich der Weg zur ersten Weltumsegelung.
Knapp 400 Jahre später – ein weiteres Kapitel der Entkolonialisierung: Mauretanien erklärte am 28. November 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich. Damit fiel ein weiterer Dominostein im imperialen Gefüge, das zu jener Zeit bereits kräftig ins Wanken geraten war. Frankreich hatte nach Indochina, Marokko und Tunesien bereits viele seiner Kolonien verloren – Mauretanien folgte in der langen Reihe derer, die eigene Wege gehen wollten.
Und während Frankreich eines seiner Überseegebiete verlor, erinnerte sich ein anderer Teil Europas an seine nationale Geburt: Albanien feiert den 28. November als Unabhängigkeitstag – 1912 erklärte sich das Land frei vom Osmanischen Reich.
Nun zur Grande Nation selbst.
Im Jahr 1615, an einem kalten Novembertag, heiratete der junge Ludwig XIII. die spanische Infantin Anna von Österreich. Diese Ehe war mehr als nur höfischer Prunk – sie war Teil eines geopolitischen Schachzugs zwischen Frankreich und Spanien. Die Verbindung dieser zwei Herrscherhäuser sollte Frieden bringen – zumindest auf dem Papier. In Wahrheit blieb die Beziehung zwischen den beiden Mächten brüchig, die Ehe selbst ebenfalls. Aber sie brachte einen König hervor: Ludwig XIV., der Sonnenkönig.
Etwas später, am selben Datum, verstarb Jean de Thévenot, ein französischer Forschungsreisender. Seine Reisen durch den Nahen Osten, Persien und Indien machten ihn zu einer Art Marco Polo Frankreichs – seine Beobachtungen flossen in frühe geographische und ethnografische Werke ein. Manchmal lohnt sich ein Blick auf solche Randfiguren der Geschichte, denn sie waren die Augen und Ohren einer Welt, die viele ihrer Bewohner noch nie verlassen hatten.
Springen wir in die jüngere Zeit: Am 28. November 1991 erklärte Südossetien einseitig seine Unabhängigkeit von Georgien. Was wie eine Randnotiz wirkt, wurde später zu einem geopolitischen Brennpunkt im postsowjetischen Raum. Russland, Georgien, internationale Spannungen – bis heute ist die Region ein Pulverfass.
Manchmal treffen sich an einem Tag viele Fäden – politisch, kulturell, menschlich.
Denn auch kulturell ist der 28. November kein leeres Blatt: Der französische Philosoph Michel de Montaigne schrieb an einem solchen Tag in einem seiner Essays über die Unberechenbarkeit des Lebens. Zwar ist das kein belegter historischer Fakt – aber wer seine Texte kennt, der weiß: Ihm hätte dieser Tag gefallen.
Und apropos Leben – und Sterben: Am 28. November 1859 wurde der britische Naturforscher Charles Darwin weltweit bekannt, als sein Werk On the Origin of Species erschien. Auch das – eine Revolution. Nicht mit Kanonen, sondern mit Worten und Ideen.
Gibt es so etwas wie einen „bedeutungsvollen Tag“? Oder füllen erst unsere Geschichten, Entscheidungen und Begegnungen ein Datum mit Bedeutung?
Der 28. November zeigt, dass selbst ein scheinbar gewöhnlicher Tag Schauplatz von Wendepunkten, Abenteuern, Abschieden und Neuanfängen sein kann.
Und wer weiß – vielleicht schreibt ja jemand genau heute, am 28. November, wieder ein kleines Stück Weltgeschichte.
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