Tag & Nacht




Stell dir vor, dein Haus brennt – und die Feuerwehr kommt mit einem Kaffeebecher in der Hand und sagt: „Wir prüfen das erstmal.“ Klingt absurd? Ist es auch. Und trotzdem ist genau das die Realität, wenn es um den Klimawandel geht. Nur dass in diesem Fall nicht ein einzelnes Haus brennt, sondern die Lebensgrundlage ganzer Generationen. Und die Feuerwehr – das ist die Politik.

In Frankreich haben Bürger den Staat verklagt, weil er zu wenig gegen die Klimakrise unternimmt. Und ja, das fühlt sich an wie ein Hilfeschrei. Ein Akt der Verzweiflung, aber auch der Hoffnung. Hoffnung darauf, dass vielleicht wenigstens ein Gericht erkennt, was vielen Regierungen offenbar entgangen ist: Dass Nichthandeln auch eine Entscheidung ist – mit fatalen Folgen.

Was ist nur los mit dieser Trägheit? Warum braucht es immer Druck, Protest, Klagen – bis etwas passiert? Als würde politischer Wille in Litern Erdöl gemessen und jedes Gramm Veränderung schmerzen wie ein offener Bruch. Dabei haben wir längst verstanden, was auf dem Spiel steht: Flüsse, die austrocknen. Wälder, die brennen. Ernten, die ausbleiben. Menschen, die sterben.

Aber statt entschlossen gegenzusteuern, jonglieren Politiker mit Kompromissen, wägen ab, versprechen, vertagen. Als gäbe es ein Morgen ohne das Heute retten zu müssen. Als könne man mit dem Klima verhandeln wie mit einem Koalitionspartner. Doch das Klima verhandelt nicht. Es reagiert.

Was mich wütend macht, ist nicht nur die Untätigkeit. Es ist der Zynismus dahinter. Die Tatsache, dass man Bürgern die Verantwortung überlässt, während man selbst lieber den Flächenverbrauch „ausbalanciert“ oder die nächste Wahl im Blick hat. Menschen ziehen vor Gericht, weil sie ihre Umwelt, ihre Gesundheit, ihre Zukunft schützen wollen – und der Staat, der sie eigentlich vertreten soll, schaut zu. Oder schlimmer: Er blockiert.

Ich frage mich: Wann hat Politik eigentlich verlernt, mutig zu sein? Wann ist das Ringen um die besten Ideen dem ständigen Taktieren gewichen? Natürlich ist Klimapolitik komplex. Aber Trägheit ist keine Strategie – sie ist Feigheit im Frack. Und je länger sie andauert, desto lauter werden die Stimmen derer, die sich alleingelassen fühlen.

Vielleicht ist genau das die bittere Ironie an diesen Klagen: dass wir Bürger dazu gezwungen sind, unsere Regierungen an ihre Pflicht zu erinnern. Dass wir ihnen sagen müssen, was sie längst wissen sollten. Vielleicht braucht es diese Eskalation, damit endlich Bewegung reinkommt. Damit die Politik aufhört, zu beschwichtigen – und anfängt, zu gestalten.

Denn ja: Die Uhr tickt. Und während die Klimakrise keine Pause kennt, scheint die Politik in Endlosschleifen zu verharren. Immer dieselben Diskussionen, immer neue Gutachten, immer spätere Maßnahmen. Genug davon. Es ist Zeit, das Heft wieder in die Hand zu nehmen – bevor es endgültig verbrennt.

M.A.B.

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