Tag & Nacht




Das Wochenende des 22. und 23. März 2025 war für viele Menschen im südfranzösischen Département Hérault mehr als nur ungemütlich. Es war ein meteorologisches Donnerwetter der besonderen Art – mit Wind, Regen und einem Hauch von Chaos. Wer in diesen Tagen draußen unterwegs war, spürte die Kraft der Natur hautnah.

Ein Sturm zieht auf

Schon am Samstag war klar: Da braut sich was zusammen. Die Wetterprognosen von Météo Languedoc klangen wie ein Warnschuss. Starkregen, Gewitter, Windböen und – sogar Schnee wurden angekündigt. Wer konnte, blieb drinnen.

Und tatsächlich: Der Regen kam. Der Wind auch. Und wie! Es war eine dieser typischen Wetterlagen, die in Südfrankreich niemanden wirklich überraschen – und trotzdem jedes Mal aufs Neue für Unruhe sorgen.

Wind, der das Land durchrüttelte

Der Sonntag brachte das, was sich viele schon gedacht hatten: Sturm. Keine leichte Brise, sondern Windgeschwindigkeiten, die über 100 km/h hinausgingen. In Sorèze im Département Tarn fegte der Wind mit 120 km/h durch die Straßen. In Millau wurden 111 km/h gemessen, in Leucate 100 km/h. Albi knackte sogar den Monatsrekord – 91 km/h. Da blieb kaum ein Schirm heil.

Klar, Wind gehört zum Wetter dazu. Aber wenn er mit solcher Wucht auftritt, hinterlässt er Spuren – an den Dächern, den Bäumen, in der Stromversorgung.

Regenschleier über den Pyrenäen

Während der Wind in den nördlicheren Teilen Okzitaniens tobte, konzentrierte sich der Regen weiter südlich auf die Region der Pyrénées-Orientales und das Haut-Languedoc. In Serralongue kamen binnen eines Tages 105 mm Regen zusammen. In Le Tech waren es 100 mm, in Céret 95 mm, in Castanet-le-Haut immerhin 70 mm. Für den März entspricht das etwa einem ganzen Monatsniederschlag – und das in nur wenigen Stunden.

Klingt nach viel? Ist es auch. Gerade in einer Region, in der der Boden solche Wassermassen oft nicht schnell genug aufnehmen kann.

Bäume kippen, Strom fällt aus – das Chaos beginnt

Die Folgen ließen nicht lange auf sich warten. Stromausfälle in mehreren Gemeinden. Bäume, die Straßen blockierten. Der Verkehr – vielerorts lahmgelegt. Die Behörden reagierten schnell und warnten die Bevölkerung. Wer nicht unbedingt rausmusste, sollte besser zuhause bleiben. Nicht nur aus Vorsicht, sondern aus gutem Grund.

Météo-France schaltete auf Gelb – die Warnstufe für potenziell gefährliche Wetterlagen. Kein Weltuntergang, aber definitiv eine Mahnung zur Wachsamkeit. Gerade für alle, die in Flussnähe wohnen oder an der Küste unterwegs sind.

Was steckt dahinter?

Dieses Wetterchaos kommt nicht aus dem Nichts. Es gehört zu einer Kategorie, die in Südfrankreich einen eigenen Namen hat: „épisodes cévenols“ – mediterrane Wetterepisoden, die für ihre Intensität berüchtigt sind. Normalerweise treten sie im Herbst auf. Aber auch der Frühling kann mittlerweile mitmischen.

Diese Phänomene entstehen, wenn feuchte Mittelmeerluft auf die steilen Hänge der Cevennen trifft. Die warme Luft steigt auf, kühlt ab, kondensiert – und es schüttet wie aus Eimern. Innerhalb kürzester Zeit. Und das kann richtig gefährlich werden.

Ein Blick zurück: Als der Regen Geschichte schrieb

Solche Wetterlagen sind nichts Neues – und doch jedes Mal dramatisch. Wer sich erinnert, denkt vielleicht an den 29. September 1900. Damals fielen in Valleraugue innerhalb von zehn Stunden unfassbare 950 mm Regen. Das entspricht fast dem jährlichen Niederschlag mancher Regionen Deutschlands – in weniger als einem halben Tag.

Oder das Jahr 2020: Am 19. September wurden in Valleraugue erneut 700 mm gemessen, davon 400 mm in nur drei Stunden. Die Schäden? Verheerend. Häuser überflutet, Straßen weggerissen, Existenzen zerstört.

Sind wir machtlos gegen die Natur?

Natürlich nicht. Aber wir müssen besser vorbereitet sein. Das Unwetter vom März 2025 zeigt deutlich, wie verletzlich selbst entwickelte Regionen sind, wenn Naturgewalten auf Infrastruktur treffen.

Die gute Nachricht: Die Wettervorhersagen sind inzwischen erstaunlich präzise. Technologische Fortschritte und bessere Datenmodelle helfen, rechtzeitig zu warnen. Doch was bringen Warnungen, wenn die Infrastruktur nicht mithalten kann?

Vorsorge ist keine Kür – sie ist Pflicht

Wir brauchen kluge Stadtplanung, widerstandsfähige Stromnetze, moderne Entwässerungssysteme – und vor allem: eine Bevölkerung, die weiß, wie sie sich im Ernstfall verhalten soll. Bildung spielt hier eine Schlüsselrolle. Und das beginnt schon in der Schule.

Gleichzeitig darf man eines nicht vergessen: Die Klimakrise verschärft diese Wetterextreme. Mehr Wärme in der Atmosphäre bedeutet mehr Verdunstung – und damit mehr Feuchtigkeit in der Luft. Wenn diese Luft auf Gebirge trifft, regnet es nicht nur ein bisschen mehr. Es regnet dramatisch mehr.

Ungleichheiten im Sturm

Was viele übersehen: Naturkatastrophen treffen nicht alle gleich. Wer in stabilen Häusern lebt, wer Rücklagen hat, wer sich in Sicherheit bringen kann – hat bessere Karten. Aber was ist mit den anderen? Mit jenen, deren Wohnungen schlecht isoliert sind, die in Hochrisikogebieten wohnen oder die kein Auto besitzen, um zu fliehen?

Soziale Gerechtigkeit ist auch Klimagerechtigkeit. Und umgekehrt. Anpassungsstrategien müssen genau hier ansetzen – bei den Verletzlichsten.

Was bleibt – und was sich ändern muss

Die Bilder aus dem Département Hérault sind ein Weckruf. Nicht der erste, aber ein weiterer. Das Wetter wird rauer, die Episoden häufiger. Und wir müssen endlich aufhören, das als „Ausnahme“ zu behandeln.

Es braucht noch mehr Zusammenarbeit zwischen Meteorologie, Stadtplanung, Sozialwissenschaften, Hydrologie, Forstwirtschaft und vielen anderen Disziplinen. Denn wer glaubt, man könne diese Krisen mit Einzelmaßnahmen lösen, der irrt gewaltig.

Ein persönlicher Gedanke zum Schluss

Ich habe lange in Südfrankreich gelebt. Die Schönheit der Landschaft, das Licht, das Meer – es ist ein Ort voller Leben. Aber auch ein Ort, der sich wandelt. Ich erinnere mich an einen Herbst vor zehn Jahren. Ich saß in einem kleinen Café in Béziers, als der Regen kam. Nicht ein bisschen, sondern wie aus Kübeln. Innerhalb von Minuten stand die Straße unter Wasser. Ich dachte damals: „Das ist heftig – aber sicher selten.“ Heute weiß ich: Es war ein Vorgeschmack.

Veränderung ist möglich. Aber nur, wenn wir sie auch wirklich wollen.

Von Andreas M. B.

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