Wie wirkt sich extreme Hitze auf Alzheimer-Patienten aus? Helfen Luftreiniger Menschen mit chronischen Lungenerkrankungen? Und wie kann man Gemeinden am kostengünstigsten vor Rauch und Hitze schützen?
Fragen wie diese verlieren nun ihre wissenschaftliche Stimme – weil die Trump-Administration der Harvard-Universität Fördermittel in Höhe von 450 Millionen Dollar gestrichen hat. Die betroffenen Forschungsprojekte? Allesamt auf den Zusammenhang zwischen Klimawandel, Umwelt und öffentlicher Gesundheit fokussiert. Diese Entscheidung – ganz nebenbei – trifft eine Forschungsrichtung, die in den letzten 30 Jahren immens an Bedeutung gewonnen hat.
Denn was vor Jahrzehnten noch wie ein Zukunftsszenario klang, ist längst bittere Realität. Denguefieber erreicht Regionen, deren Bewohner das Wort „tropisch“ sonst nur aus dem Urlaub kannten. Waldbrände brennen sich nicht nur durch Wälder, sondern auch durch Lungen. Und Hitzetote sind keine Randnotiz mehr – sondern ein wachsendes Gesundheitsrisiko.
Ein Kahlschlag mit Folgen
Der Kahlschlag trifft die Umweltgesundheitsforschung mit voller Wucht – und das auf einem ohnehin ausgedünnten Spielfeld. Bereits zuvor hatte die Trump-Administration 2,2 Milliarden Dollar eingefroren. Die Begründung? Vorwürfe, Harvard würde Antisemitismus und Rassendiskriminierung dulden.
Besonders betroffen ist die T.H. Chan School of Public Health. 139 Wissenschaftler erhielten Kündigungsschreiben – 204 Projekte auf Eis. Das ist nahezu der komplette Bundeszuschuss für diese Schule.
„Das bricht mir das Herz“, sagt Francesca Dominici, Professorin für Biostatistik in Harvard. Zehn Millionen Dollar – in fünf Projekten – per E-Mail gelöscht. Einfach weg. Ihre Forschung? Luftverschmutzung und deren Folgen für Minderheiten und ältere Menschen. Hitze und ihre Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. Alles Themen, die jetzt im Datenmüll versinken.
„Selbst wenn ich neues Geld auftreibe – der Schaden ist da. Jahre an Arbeit, Entwicklung, Analyse – verloren. Und ja, das kostet Leben“, so Dominici.
Unvollendete Forschung – mit bitterem Beigeschmack
Ein weiteres Forschungsopfer: Ein Projekt, das Lösungen gegen extreme Hitze in armen Vierteln entwickeln wollte. Oder eine Studie zur Rettung schwindender Fischbestände, wo Korallenriffe kollabieren. Alles gestoppt.
Mary B. Rice, Leiterin des Harvard Center for Climate, Health, and the Global Environment, war mitten in einer klinischen Studie. Es ging darum, ob spezielle Luftreiniger Patienten das Atmen erleichtern könnten. Die Teilnehmenden? Ehemalige Raucher, meist ältere Männer und Frauen – 160 an der Zahl.
Die Studie war fast am Ziel. Dieses Jahr hätte sie abgeschlossen werden sollen. Doch letzte Woche kam der Hammer: Die Regierung hat die Förderung gestoppt – und will sogar ungenutzte Mittel zurückfordern.
„Wie soll ich den Menschen erklären, dass wir das Experiment abbrechen müssen? Sie haben uns vertraut – und jetzt das?“, fragt Rice. Für sie ist der Abbruch nicht nur enttäuschend, sondern schlicht unethisch. Millionen seien bereits investiert worden.
Zukunft ungewiss – doch der Klimawandel wartet nicht
Petros Koutrakis, Experte für Umweltstudien in Harvard, forscht zu Schadstoffemissionen – unter anderem aus Bränden, denen Soldaten im Irakkrieg ausgesetzt waren. Auch sein Projekt steht vor dem Aus. Und mit ihm eine ganze wissenschaftliche Disziplin, deren Zukunft nun in Frage steht.
Kristie L. Ebi von der Universität Washington, Expertin für die gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, bringt es auf den Punkt: Die Forschung war schon immer unterfinanziert. Unter Präsident Biden kam endlich Bewegung in die Sache. Doch nun droht ein Rückfall – mit gravierenden Konsequenzen.
„Amerikaner sterben wegen des Klimawandels“, sagt sie. Und niemand schaut hin.
Der Preis des Schweigens
Was bedeutet es, wenn eine Regierung lebensrettende Forschung kappt – aus politischem Kalkül? Es geht nicht um Zahlen oder Budgets. Es geht um Menschen. Um Luft, die wir atmen. Um Hitze, die wir spüren. Um Krankheiten, die wir nicht mehr heilen können, weil wir sie nicht verstehen.
Wie lange können wir uns solche Blindheit noch leisten?
Von Andreas M. B.
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