Manchmal gibt es Geschichten, die einem das Herz zusammenziehen – nicht weil sie besonders dramatisch inszeniert sind, sondern weil sie in ihrer Kälte und Ungerechtigkeit schlicht entlarvend wirken. Der Fall Kilmar Abrego García ist eine solche Geschichte. Eine Geschichte, die zeigt, wie wenig ein Menschenleben zählen kann, wenn politische Machtspiele die Bühne beherrschen.
Kilmar Abrego García lebte legal in den USA. Es gab eine gerichtliche Schutzanordnung, die seine Abschiebung explizit untersagte. Und trotzdem: abgeschoben. Nicht etwa in ein ruhiges Exil, sondern direkt in eines der brutalsten Gefängnisse Mittelamerikas – das CECOT in El Salvador. Wer Bilder dieses Hochsicherheitsknasts kennt, weiß: Das ist kein Ort für einen Mann, dessen einziger „Fehler“ war, zur falschen Zeit den falschen Pass zu besitzen.
Die USA haben diesen Mann fallen lassen. Ohne Vorwarnung. Ohne Rechtsgrundlage. Und jetzt? Jetzt winden sich beide Länder aus der Verantwortung wie zwei Kinder, die die Vase zerbrochen haben, aber keiner will es gewesen sein.
El Salvadors Präsident Nayib Bukele, selbst ein Mann mit Hang zur Inszenierung, bezeichnet die Forderung, Abrego zurückzuschicken, als „absurd“. Absurd? Was ist wirklich absurd: Dass ein Mensch zwischen politischen Interessen zerrieben wird – oder dass ein Präsident kalt lächelnd erklärt, er könne nichts tun?
Man muss sich das mal vorstellen: Ein Mensch wird fälschlich abgeschoben, entgegen richterlicher Anordnung, wird eingesperrt – und keiner fühlt sich zuständig. Weder das Land, das ihn wegschickte, noch das, in dem er nun festsitzt. Was bleibt da vom Rechtsstaat? Was bleibt da von Menschlichkeit?
Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Sie ist Symbol für eine Abschiebungspolitik, die nicht selten über Leichen geht – bildlich gesprochen, aber manchmal auch wortwörtlich. Und sie zeigt erschreckend deutlich, wie fragil der Schutz ist, den uns Gerichte zu gewähren versuchen, wenn politische Interessen ins Spiel kommen.
Vielleicht ist es das, was am meisten schmerzt: Dass dieser Mann kein Einzelfall sein wird. Dass es irgendwo auf der Welt gerade einen Menschen gibt, dem dasselbe passiert – nur dass wir seinen Namen noch nicht kennen.
Und was sagen wir dann? „Tut uns leid“?
Oder sagen wir irgendwann endlich: „Nicht mit uns“?
Von Andreas M. Brucker
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