Tag & Nacht

Der Spezialist für die Sozialgeschichte der USA und für Minderheiten, ein angesehener Akademiker, ist in mehreren Punkten ein Antipode zu seinem Vorgänger.

„Herr Pap Ndiaye wird zum Minister für Bildung und Jugend ernannt.“ Dies war die große Überraschung bei der Ankündigung der Regierung von Elisabeth Borne, als am Freitag, 20. Mai, von Alexis Kohler, Generalsekretär des Elysée-Palastes, auf der Treppe des Präsidentenpalastes der Name Pap Ndiaye genannt wurde.

Pap Ndiaye, der einen senegalesischen Vater und eine französische Mutter hat, war bislang Leiter des Palais de la Porte Dorée, in dem das Musée national de l’histoire de l’immigration (Nationalmuseum der Einwanderungsgeschichte) in Paris untergebracht ist. Ein Amt, das er seit Frühjahr 2021 innehatte, nachdem er von Emmanuel Macron ernannt worden war. Der 56-jährige Professor an der Sciences Po Paris ist ein von seinen Kollegen sehr geachteter Wissenschaftler und gilt in Frankreich und im Ausland als „Koryphäe“ auf dem Gebiet der Minderheitenproblematik.

In seiner ersten Rede als Minister bezeichnete sich der Neuankömmling als „ein reines Produkt der republikanischen Meritokratie, deren Pfeiler die Schule ist (…), aber vielleicht auch ein Symbol der Vielfalt“. Er sagte, dass er „diese Aufgabe mit Demut und Bescheidenheit, aber auch mit all der Energie und allem guten Willen, angehen wird“. Die Festigung der Grundkenntnisse, die Chancengleichheit und die notwendige Anpassung der Schule an die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen seien „Herausforderungen“, denen er sich stellen wolle.

In einem Porträt, das die Zeitung Le Monde ihm 2021 nach seiner Ernennung zum Leiter des Musée national de l’histoire de l’immigration widmete, wurde gesagt, dass der Staatschef ihn für diesen Posten ausgewählt habe, um „die Gemüter zu beruhigen“, angesichts der von der Regierung befürchteten Spannungen, insbesondere nach dem Tod von George Floyd in den USA im Mai 2020. Pap Ndiaye sah in seiner Ernennung damals ein Symbol für junge „nicht-weiße“ Menschen, auch wenn diese Ernennung „in erster Linie auf eine lange Karriere als Akademiker (…) zurückzuführen ist. Ich stehe zu meiner Hautfarbe“, betonte er damals gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Pap Ndiaye, der nicht zögert, von einem „strukturellen Rassismus in Frankreich, der sich durch rassistische Praktiken bei Institutionen wie der Polizei ausdrücken kann“, zu sprechen, unterscheidet sich deutlich von seinem Vorgänger Jean-Michel Blanquer. „Bei allem, was mit Minderheiten zu tun hat, verkörpert er Orientierungen, die sicherlich nicht die sind, die Jean-Michel Blanquer umgesetzt hat“, bestätigt der Soziologe Michel Wieviorka, in der Zeitung Le Monde.

In Bezug auf einen „Islamo-Gauchismus“ im universitären Umfeld, der von Jean-Michel Blanquer oder auch von der ehemaligen Ministerin für Hochschulbildung, Frédérique Vidal, angeprangert wurde, erklärte Pap Ndiaye auf France Inter: „Dieser Begriff bezeichnet keine Realität an der Universität. Was mir vor allem auffällt, ist der Grad der Unkenntnis der Politik über die Forschung, die an den Universitäten in den Sozial- und Geisteswissenschaften betrieben wird.

Auf Seite der extremen Rechten wird die Nominierung Pap Ndiayes heftig kritisiert. Dies gilt insbesondere für den Sprecher des Rassemblement National, Julien Odoul, der auf Twitter „einen militanten Immigranten, der unsere Kinder zum ‚Zusammenleben‘ mit Migranten umerziehen und die französische Geschichte dekonstruieren soll“ anprangerte. „Seine Ernennung überschreitet die Grenzen der Provokation“.

Auf Seiten der linksgerichteten Partei La France insoumise (LFI) dagegen begrüßte man die Ernennung, auch wenn man darin ein politisches Manöver sieht. „Dieser Mediencoup, der einzige dieser farblosen neuen Regierung, wird allerdings die tiefe Wut im nationalen Bildungswesen nicht entschärfen“, so der LFI-Parlamentarier Alexis Corbière.

Für die Snes-FSU, die größte Lehrergewerkschaft im Sekundarbereich, „stellt die Ernennung von Pap Ndiaye in mehrfacher Hinsicht einen Unterschied zu Jean-Michel Blanquer dar“. Aber „das Bildungswesen lässt sich nicht mit Symbolen regieren“, warnt die Gewerkschaft in einer Pressemitteilung. „Die Notsituationen sind real, es werden schnelle Antworten erwartet, insbesondere im Bereich der Gehälter.“

Auf den neuen Bildungsminister kommt eine gewaltige Aufgabe zu.


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