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Der eskalierende Konflikt zwischen Israel und dem Iran entwickelt sich zunehmend zu einer Belastung für Europa – nicht nur sicherheitspolitisch, sondern vor allem wirtschaftlich. Deutschland und Frankreich spüren die Folgen bereits in Form steigender Energiepreise, gestörter Lieferketten und zunehmender Nervosität auf den Finanzmärkten. Die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten offenbaren damit erneut die Verwundbarkeit der europäischen Volkswirtschaften.

Energiepreise als Frühindikator der Krise

Mit dem Aufflammen der Gewalt am Persischen Golf sind die Rohölpreise sprunghaft gestiegen. Brent-Öl verzeichnete innerhalb kurzer Zeit ein deutliches Plus, was sich unmittelbar auf die Energiepreise in Europa auswirkt. Sowohl Deutschland als auch Frankreich sind in hohem Maße von Energieimporten abhängig. Die Verteuerung von Treibstoffen, Heizöl und Gas erhöht nicht nur die Produktionskosten der Industrie, sondern wirkt auch inflationsfördernd auf Verbraucherpreise. Für Deutschland, wo das Wirtschaftswachstum für 2025 bereits auf schwache 0,3 Prozent geschätzt wurde, könnte dieser Ölpreisschock ein zusätzlicher Dämpfer sein. Frankreich steht vor einer ähnlichen Situation, in der geringe Wachstumsdynamik und hohe Staatsverschuldung zusammenkommen.

Lieferketten als geopolitisches Risiko

Ein zentraler Aspekt des Konflikts ist die Bedrohung der maritimen Handelswege. Insbesondere die Straße von Hormus, durch die ein Fünftel des weltweiten Ölhandels läuft, rückt erneut in den Fokus. Eine militärische Eskalation oder gar Blockade würde massive Folgen für die globale Versorgungssicherheit haben. Gleichzeitig zwingt die Bedrohungslage durch Angriffe auf Schiffe im Roten Meer viele Reedereien zu Umwegen – mit steigenden Transportkosten und verlängerten Lieferzeiten. Für die auf globale Lieferketten angewiesene europäische Industrie, insbesondere im Maschinenbau, in der Chemie- und Automobilbranche, drohen erneut Engpässe und Produktionsverzögerungen. Die Folgen ähneln jenen der Pandemie: Unsicherheit, Verteuerung, Störungen der Just-in-Time-Logistik.

Finanzmärkte in Alarmstimmung

Auch die Kapitalmärkte zeigen Anzeichen erhöhter Nervosität. Sowohl der deutsche DAX als auch der französische CAC 40 verzeichneten spürbare Rückgänge. Parallel dazu steigen die Preise für klassische „sichere Häfen“ wie Gold oder den US-Dollar – ein Indikator für das gestiegene Risikoempfinden der Anleger. Diese Entwicklung belastet insbesondere kapitalintensive Investitionsentscheidungen. Energieintensive Industriezweige, ohnehin von den Preissteigerungen getroffen, könnten sich mit neuen Projekten zurückhalten. Der private Konsum leidet zusätzlich unter Unsicherheitsgefühlen und realer Kaufkraftminderung – eine gefährliche Mischung in konjunkturell schwachen Zeiten.

Neue Herausforderungen für die Sicherheitspolitik

Der Konflikt stellt nicht nur ökonomisch, sondern auch sicherheitspolitisch neue Anforderungen. Deutschland steht angesichts seiner historischen Verantwortung für Israel in einem außenpolitischen Dilemma, das durch humanitäre Überlegungen im Umgang mit der zivilen Lage in Gaza weiter verkompliziert wird. In Frankreich wiederum mehren sich Stimmen, die auf die Gefahr islamistischer Anschläge im Inland hinweisen – ein Szenario, das bereits während früherer Nahostkrisen Realität wurde. Beide Länder sehen sich gezwungen, ihre Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen, was zusätzliche Kosten verursacht und politische Spannungen im Inneren verschärfen kann.

Die derzeitige Eskalation im Nahen Osten ist ein Stresstest für die wirtschaftliche Resilienz und die geopolitische Handlungsfähigkeit Europas. Deutschland und Frankreich, als größte Volkswirtschaften der EU, stehen in besonderer Verantwortung, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene entschlossen zu reagieren. Gefragt sind kurz- wie mittelfristige Maßnahmen: Der Ausbau strategischer Energiepartnerschaften, die Stärkung alternativer Handelsrouten sowie die Vorbereitung auf mögliche sicherheitspolitische Verwerfungen müssen prioritär behandelt werden. Die Stabilität Europas hängt entscheidend davon ab, wie schnell und wie kohärent diese Reaktionen erfolgen.

Autor: Andreas M. Brucker

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