Ein sarkastischer Kommentar über das neueste „Comeback“ des Ex-Präsidenten
Nun also Journal d’un prisonnier. Nein, es handelt sich nicht um ein verschollenes Manuskript aus der Résistance, sondern um das jüngste literarische Selbstbekenntnis von Nicolas Sarkozy – Frankreichs einstigem Präsidenten, Ex-Anführer der klassischen Rechten und nun offenbar designierter Vordenker einer rechten „Volksfront“ mit dem Rassemblement national.
Kaum hat sich der Ex-Präsident aus dem Gefängnisalltag zurückgeschrieben, schon will er Frankreich politisch erlösen. Und zwar nicht etwa durch eine Renaissance gaullistischer Werte oder einer klugen bürgerlich-konservativen Programmatik. Nein, Sarkozy hat eine neue Offenbarung: die Union der Rechten – mit allem, was rechts ist. RN inklusive.
Bravo, Herr Sarkozy. Wenn man schon politisch stürzt, dann wenigstens mit Anlauf.
Der Mann, der mit dem Feuer tanzt
Da ist sie also, die sarkozyistische Idee 2025: Warum nicht gleich den alten cordon sanitaire – jene bürgerliche Brandmauer gegen die extreme Rechte – durch einen roten Teppich ersetzen? Wenn schon der FN (pardon, der RN) die Herzen der Wähler gewinnt, dann doch bitte gleich Hand in Hand. Hauptsache, man bleibt irgendwie relevant im rechten Spektrum.
Erinnern wir uns: Sarkozy war einmal der Mann der klaren Kante, des Law-and-Order-Konservatismus, der sich als Bollwerk gegen die Extreme gerierte. Doch Zeiten ändern sich, und offenbar auch der moralische Kompass. Heute beklagt er sich in seinem Buch über den „Einschluss“ bürgerlicher Kräfte in ideologische Tabus – als wäre es eine Freiheitsberaubung, nicht mit Marine Le Pen zu koalieren.
Man fühlt sich fast versucht, ihm zuzurufen: Monsieur le Président, Sie wurden nicht verurteilt, weil Sie den Front républicain unterstützt haben – sondern wegen Korruption. Vielleicht ist das ja der Grund, warum Ihnen die Brandmauer plötzlich so eingrenzend erscheint.
Alte Wähler, neue Sehnsüchte
Doch geben wir Sarkozy nicht die ganze Schuld. Das Kalkül ist da – und nicht einmal ungeschickt: Der rechte Wähler von heute ist oft nicht mehr der gaullistische Beamte oder der katholische Provinznotar. Es ist der verunsicherte Rentner, die desillusionierte Mittelklasse, der „petit commerçant“, der genug hat von „woker“ Sprache, Migration, Prekarität und Paris.
Und was sagt dieser Wähler, wenn man ihn fragt, ob man mit dem RN koalieren soll? „Warum nicht, solange es die Linken verhindert.“ Zynismus trifft Pragmatismus – ein Cocktail, den Sarkozy mit sichtbarem Genuss serviert.
In Wahrheit bringt er nur zu Papier, was viele auf der Rechten längst denken, aber noch nicht zu sagen wagten: Wenn man die Macht nicht alleine bekommt, dann eben mit Marine. Und wenn dabei ein paar Prinzipien auf der Strecke bleiben – soit. Ideale sind schließlich etwas für die Leute mit 5 % bei Wahlen.
Eine Koalition der Vergesslichen
Xavier Bertrand und Co. versuchen zwar noch, die republikanische Ehre zu retten – doch es riecht bereits nach Moder. Was zählt, ist nicht mehr die Geschichte, sondern das nächste Wahlergebnis. Die Union der Rechten ist plötzlich kein Schreckgespenst mehr, sondern ein Wahlprogramm mit offenem Ende.
Man fragt sich nur: Was bleibt von der politischen Kultur eines Landes, das seine demokratischen Brandmauern freiwillig schleift?
Was bleibt von einer Rechten, die sich einst auf Charles de Gaulle berief – und heute auf Umfragewerte?
Und was bleibt von einem Nicolas Sarkozy, der einst die Mitte erobern wollte – und nun den rechten Rand umarmt?
Vielleicht hat der ehemalige Präsident aus seiner Haftzeit ja auch gelernt, dass es in der Politik wie im Gefängnis zugeht: Wer allein ist, wird untergebuttert. Und so sucht er sich neue Allianzen – ausgerechnet mit jenen, die er früher mit rhetorischer Verachtung bedachte.
Sarkozy nennt sein Buch Journal d’un prisonnier. Ironisch, denn es liest sich eher wie das Handbuch eines politischen Gefangenen seiner eigenen Eitelkeit. Die Union der Rechten ist in seinem Szenario keine Bedrohung für die Republik, sondern der letzte Ausweg für eine Rechte, die nicht weiß, wofür sie noch steht – außer dafür, nicht links zu sein.
Wo das hinführen soll? Ganz einfach:
In eine Demokratie, die ihre Immunabwehr abschaltet.
In eine Partei, die lieber mit Populisten koaliert als selbst zu denken.
Und in eine politische Landschaft, in der ausgerechnet ein verurteilter Ex-Präsident die moralische Leitlinie vorgibt.
Was für eine Zeit. Was für ein Erbe. Was für ein Irrweg.
Ein Kommentar von P.Tiko
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