Tag & Nacht




Der 24. März 2015 hat sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt – als Tag einer der erschütterndsten Tragödien in der Geschichte der zivilen Luftfahrt. Zehn Jahre später kamen etwa 400 Menschen in der kleinen Gemeinde Le Vernet in den französischen Alpen zusammen, um an die 150 Opfer des Germanwings-Absturzes zu erinnern. Es war eine stille, bewegende Zeremonie – getragen von Schmerz, Erinnerung und einem gemeinsamen Wunsch: dass so etwas nie wieder passiert.

Eine Katastrophe mit menschlichem Gesicht

Damals lenkte der 27-jährige Co-Pilot Andreas Lubitz ein Airbus A320 absichtlich gegen eine Felswand im Massif des Trois-Évêchés. Die Maschine befand sich auf dem Flug von Barcelona nach Düsseldorf. An Bord: 144 Passagiere und sechs Crewmitglieder. Niemand überlebte.

Die Opfer stammten aus 19 verschiedenen Ländern – die meisten aus Deutschland (72) und Spanien (50). Darunter auch eine Schulklasse aus Haltern am See, deren Verlust eine ganze Stadt ins Herz traf.

Ein Dorf im Zeichen der Erinnerung

Le Vernet, ein abgelegenes Bergdorf in den Alpes-de-Haute-Provence, wurde damals zum Zentrum der internationalen Anteilnahme. Und auch zehn Jahre später ist es wieder ein Ort des Gedenkens geworden. Angehörige aus Deutschland und Spanien reisten an, um sich in einem eigens errichteten Zelt zu versammeln. Um Punkt 10:41 Uhr – dem exakten Zeitpunkt des Absturzes – senkten sich die Köpfe zur Schweigeminute.

Anschließend fand eine private Zeremonie statt, organisiert von der Lufthansa, Muttergesellschaft von Germanwings. Kein großes Aufheben, keine Presse – nur stille Trauer und Verbundenheit.

Worte der Verantwortung

Zuvor legten Vertreter Frankreichs, Deutschlands und Spaniens sowie Lufthansa-Chef Carsten Spohr Kränze auf dem Friedhof von Le Vernet nieder. Dort befinden sich die sterblichen Überreste derjenigen Opfer, die nie identifiziert werden konnten.

Spohr betonte, das Unternehmen trage die Verantwortung für das, was geschehen sei – auch nach einer Dekade. „Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen und Freunden der Opfer, deren Schmerz und Trauer auch nach zehn Jahren noch tief sind“, sagte er.

Marc Chappuis, Präfekt der Region, wurde noch deutlicher: „Dieses Datum verpflichtet uns alle, aus dem Geschehenen zu lernen und die Sicherheitsstandards im Luftverkehr kontinuierlich zu verbessern.“

Ein tragisches Einzelschicksal – und seine Konsequenzen

Das französische Justizsystem hatte die Ermittlungen 2022 offiziell abgeschlossen – ohne Anklage. Der Absturz wurde als „unvorhersehbarer Suizid“ des Co-Piloten eingestuft. Die Tat selbst war so selten wie erschütternd: Der Gedanke, dass ein Pilot absichtlich ein Flugzeug in den Tod steuert, sprengt das Vorstellungsvermögen.

Und doch war es nicht der einzige Fall dieser Art. Im März 2022 starben in China 132 Menschen beim mutmaßlich absichtlich herbeigeführten Absturz einer Boeing 737-800. Auch dieser Fall hallte nach – wenn auch weniger öffentlichkeitswirksam.

Was bleibt – außer der Trauer?

Die Katastrophe von 2015 veränderte den Luftverkehr. Sie führte unter anderem zur Einführung der „Zwei-Personen-Regel“ im Cockpit – eine Maßnahme, die verhindern soll, dass ein Pilot sich alleine im Cockpit aufhält. Doch viele Airlines schafften diese Regel wieder ab, nachdem sie sich als unpraktikabel erwies. Sicherheitsfragen wurden überarbeitet, psychologische Tests verschärft. Aber reicht das?

Die zentrale Frage bleibt: Wie lässt sich ein so extremes, so einsames Verzweiflungshandeln verhindern? Kann man in die Psyche eines Menschen blicken – ganz gleich, wie viele Checklisten und Verfahren existieren?

Ein Denkmal der Menschlichkeit

In Le Vernet steht heute ein schlichtes Denkmal mit den Namen aller Opfer. Kein prunkvolles Monument, sondern ein stilles Zeichen des Erinnerns – und des Trostes. Für die Familien ist dieser Ort zu einem Pilgerziel geworden, einem Ort, der verbindet, was der Himmel damals zerriss.

Es gibt Momente, da werden alle Unterschiede bedeutungslos. Da sind es nicht mehr Deutsche, Spanier oder Franzosen – sondern einfach Menschen, vereint im Leid. Und vielleicht liegt genau darin eine Art von Hoffnung.

Von C. Hatty.

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