Tag & Nacht




Die Lage in der palästinensischen Enklave Gaza ist dramatischer denn je. Während israelische Bomben fallen und die humanitäre Hilfe kaum durchdringt, droht eine Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes – insbesondere für die jüngsten Bewohner. 14.000 Kinder unter fünf Jahren sind laut UN-Schätzungen akut von schwerer Mangelernährung bedroht.

Tom Fletcher, Einsatzleiter der humanitären UN-Mission, fand klare Worte in einem BBC-Interview: „14.000 Babys könnten innerhalb von 48 Stunden sterben, wenn wir sie nicht erreichen.“ Diese Aussage hat weltweit Alarm ausgelöst – und das zu Recht. Die Not im Gazastreifen wächst von Tag zu Tag, und die Kinder sind die ersten Opfer.

Ein aktueller Bericht der Organisation IPC, auf den sich die UN beruft, beziffert die Zahl der schwer mangelernährten Kleinkinder auf rund 14.100 – prognostiziert für den Zeitraum von April 2025 bis März 2026. Es geht nicht darum, dass all diese Kinder innerhalb von zwei Tagen sterben – aber es geht ums nackte Überleben. Und das hängt an einem seidenen Faden.

Seit dem 2. März liegt die humanitäre Hilfe praktisch lahm. Einem fast vollständigen Blockadezustand folgte eine Hungerkrise, die laut UN mittlerweile 57 Kinder das Leben gekostet hat – allein durch Mangelernährung.

„Diese Kinder haben keine Kindheit“, sagt Olga Cherevko, Sprecherin des UN-Nothilfebüros in Gaza. „Sie sind an das Dröhnen von Bomben gewöhnt.“ Was für viele unvorstellbar klingt, ist für diese Kinder Alltag. Und während sich internationale Hilfsorganisationen mühen, bleibt der Zugang blockiert oder kompliziert. Hilfskonvois brauchen Genehmigungen, Routen sind unpassierbar, und jeder Hilfstransport muss einzeln verhandelt werden – mit einer Regierung, die in diesem Kontext militärische Interessen über humanitäre stellt.

Am Montag erreichten etwa 90 Lastwagen die Enklave – deutlich zu wenig. „Es reicht nicht einmal, um ein Viertel der Bevölkerung für einen Tag zu versorgen“, sagt Tamara Alrifai vom UNRWA. In Wahrheit wären 500 bis 600 Laster täglich nötig. Aber die Realität sieht anders aus: zu wenig Nahrung, zu wenig medizinisches Material, keine Hygieneprodukte und kein Treibstoff.

Und was nützt Hilfe, die nicht dort ankommt, wo sie gebraucht wird?

„Keine der Lieferungen hat bislang die Bedürftigen erreicht“, bestätigt auch Cherevko. Es ist ein Spießrutenlauf: Straßen sind zerstört, Bomben fallen weiter, und jeder Hilfstransport steht unter dem Vorbehalt neuer Verhandlungen. Eine UN-Sprecherin spricht von einer „Militarisierung der Hilfe“. Der Vorwurf wiegt schwer – denn das humanitäre Völkerrecht kennt keine Verhandlungspflicht, wenn es um Essen, Wasser oder medizinische Versorgung geht. Diese Dinge sind ein Menschenrecht, kein Handelsgut.

Das israelische Militär wiederum rechtfertigt seine Operationen unter dem Namen „Chariots of Gédéon“ mit dem Ziel, die Kontrolle über das gesamte Gebiet auszuweiten. Die Folge: Bombardierte Krankenhäuser, zerstörte Infrastruktur, erneut massenhafte Fluchtbewegungen.

„80 Prozent des Gazastreifens sind jetzt militärische Zone“, sagt Alrifai. Die Menschen leben in ständiger Angst, verschleppt von einem Ort zum nächsten. Krankenhäuser werden regelmäßig Ziel von Angriffen. Was bleibt, sind überfüllte Notstationen ohne Medikamente, ohne Strom – und mit kaum noch Hoffnung.

Hisham Mhanna vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) beschreibt eine Szenerie, die an die Grenzen des Erträglichen geht: „Jeden Tag werden neue Kliniken und Krankenhäuser getroffen. Die Kapazitäten reichen längst nicht mehr aus, um alle Verletzten zu behandeln.“

Was bleibt, ist ein verzweifelter Hilferuf aus einer Region, die immer tiefer in den Abgrund rutscht. Familien rufen das Rote Kreuz an, flehen um Hilfe, sind unter Trümmern gefangen, wissen nicht mehr weiter.

Und doch: Noch immer gibt es keine dauerhafte Lösung, kein Waffenstillstand, keine garantierte Öffnung für Hilfsgüter. Nur Appelle. Und Hoffnung, dass die Welt endlich handelt – bevor es zu spät ist.

Wie viele Kinder müssen noch sterben, bevor sich etwas ändert?

Von C. Hatty

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