Tag & Nacht




Es gibt Tage, die vergisst man nicht. Der 15. Mai 2025 ist so einer – zumindest für die Bewohner von Saint-Perdon, einem kleinen Dorf in den Landes, im Südwesten Frankreichs. Gegen 17 Uhr verdunkelte sich der Himmel dort in einer Weise, die man sonst nur aus Katastrophenfilmen kennt. Minuten später war nichts mehr wie vorher.

Ein Hagelsturm legte das Leben lahm – und zwar mit voller Wucht.

Eine Wand aus Eis

Binnen weniger Minuten bedeckten 15 Zentimeter Hagel die Straßen. Ein Bild wie aus dem tiefsten Januar, dabei schrieb der Kalender Mai. Die Körner waren nicht nur zahlreich, sondern groß und schwer – Fenster zerbarsten, Dächer wurden durchlöchert, Autos verbeult.

Ein örtlicher Physiotherapeut nannte das Ganze „die Apokalypse“. Wer will’s ihm verdenken? Wasser drang in seine Praxis, draußen standen Fahrzeuge in Trümmern. Auch die kleine Dorf-Mairie, der örtliche kleine Supermarkt und mehrere Arztpraxen wurden schwer getroffen.

Kinder in Sicherheit gebracht

Besonders dramatisch: Das Freizeitzentrum musste evakuiert werden. 45 Kinder wurden in aller Eile in ein sicheres Gebäude gebracht. Eltern rannten durch das Unwetter, um ihre Kleinen zu holen – Bilder, die sich einbrennen.

Und mittendrin: Feuerwehrleute im Dauereinsatz. 35 Helfer waren bis in die Nacht unterwegs, um Keller auszupumpen, Straßen zu räumen, beschädigte Häuser zu sichern.

Landwirtschaft am Boden

Doch während die Kameras vor allem auf die kaputten Gebäude und zerbeulten Autos gerichtet waren, spielte sich auf den Feldern eine weitere Tragödie ab. Die jungen Mais- und Erbsenkulturen – gerade erst gesät – sind nun verloren. Zermalmt unter dem Gewicht des Eises.

Die Landwirte sind frustriert. Wütend. Und zutiefst verunsichert. Wie soll man noch planen, wenn der Frühling plötzlich mit Wintergewalt zuschlägt?

Was besonders irritiert: Es gab eine Wetterwarnung. Ja. Aber eben nur für Gewitter. Keine Rede von Hagel dieser Stärke. Kein spezieller Hinweis. Wie kann das sein? Ist das französische Warnsystem überfordert?

Klimawandel lässt grüßen

Extremwetterlagen sind längst keine Ausnahmen mehr. Früher hätte man so ein Ereignis alle 20 Jahre erwartet – heute hört und liest man solche Meldungen fast monatlich. Und immer öfter trifft es auch Regionen, die bislang als relativ sicher galten.

Wer da noch an Zufall glaubt, verschließt die Augen vor dem Offensichtlichen. Der Klimawandel mischt sich längst in unseren Alltag ein – manchmal sanft wie ein heißer April, manchmal brutal wie 15 Zentimeter Hagel im Mai.

Wenn der Alarm versagt

Ein Warnsystem, das nur die Hälfte ankündigt, hilft niemandem. Für Saint-Perdon war der fehlende Hagelalarm mehr als ein Schönheitsfehler – es war eine verpasste Chance, sich besser zu schützen. Menschen hätten Autos unterstellen, Fenster schützen, Kinder früher abholen können.

Es scheint an der Zeit, unsere meteorologischen Systeme an die neuen Realitäten anzupassen. Was muss noch passieren, bis wir bereit sind, das Unerwartete mitzudenken?

Wo bleiben die Lehren?

Der Bürgermeister arbeitet nun daran, Saint-Perdon als Katastrophengebiet anerkennen zu lassen – damit Hilfe schneller fließt. Die Landwirte brauchen Entschädigungen, die Geschädigten einen Wiederaufbauplan. Aber braucht nicht vor allem unser System ein Update?

Was nützt der schönste Frühling, wenn er jederzeit in einen Albtraum umschlagen kann? Was bleibt uns außer der Anpassung – technisch, sozial, politisch?

Denn eines steht fest: Das war nicht das letzte Mal.

Von Andreas M. Brucker

Prompt für ein passendes Titelbild: Ein kleines französisches Dorf nach einem Hagelsturm: weiß bedeckte Straßen, zerstörte Autos, dunkle Wolken am Himmel – Menschen helfen sich gegenseitig.

Neues E-Book bei Nachrichten.fr







Du möchtest immer die neuesten Nachrichten aus Frankreich?
Abonniere einfach den Newsletter unserer Chefredaktion!