Tag & Nacht

Heute Morgen haben in Deutschland viele Kinder eine Überraschung in ihren Stiefeln vorgefunden – naja, eine erwartete Überraschung, denn vorsorglich haben sie die Schuhe gestern ordentlich geputzt und für den Nikolaus vor der Tür bereitgestellt, damit er diese in der Nacht füllen kann.

Früher wurden die Schuhe mit Äpfeln, Nüssen, Mandarinen gefüllt; dann kamen immer mehr Süßigkeiten dazu, neben allem möglichen Krimskrams, was Kinder gern haben, und manche müssen gar nicht bis Weihnachten warten, sie finden auch jetzt schon recht teure Geschenke in (und sogar neben) den Stiefeln.

Was ist aber mit den französischen Kindern? Kommt der Nikolaus auch zu ihnen? Jein: längst nicht überall, sondern nur in einigen Regionen im Norden und Osten Frankreichs. In Lothringen allerdings ist der Heilige Nikolaus ein wichtiger Heiliger, er ist der Schutzpatron der Region.

Nikolaus von Myra, ein Bischof im 3./4. Jahrhundert, soll neben wohltätigen Werken auch viele Wunder vollbracht haben. Im 11. Jahrhundert brachte ein Lothringer Kreuzritter ein Fingerglied dieses Bischofs mit in seinen Heimatort Port. Deshalb wurde dort um 1093 eine Kirche gebaut – die Basilika von Saint-Nicolas-le-Port –, um diese kostbare Reliquie aufzubewahren.

Alljährlich wird in Lothringen dem Schutzpatron zu Ehren gefeiert. In Nancy geht es fröhlich-festlich zu in den erleuchteten und geschmückten Straßen. In Saint-Nicolas-de-Port ist die jahrhundertealte Fackelprozession ein Höhepunkt der Vorweihnachtszeit.

Für die Kinder ist der Nikolaus vor allem als Geschenkebringer wichtig. Ursprünglich war der Nikolaustag auch der Tag der Weihnachtsbescherung. Das ist im größten Teil Frankreichs heute noch so, dort kommt kein Nikolaus am 6. Dezember, sondern der père Noël in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember. In Deutschland stand die Rolle des Gabenbringens zu Weihnachten dem Christkind zu, das aber inzwischen oft vom Weihnachtsmann abgelöst wird, einer Bezeichnung, die aus den USA übernommen wurde. Dort hat sich das Brauchtum um den Weihnachtsmann, genannt Santa Claus, entwickelt, das ist mehr oder weniger die kommerzielle Form des Umgangs mit dem ursprünglich als Heiligen verehrten Nikolaus.

Zurück zum 6. Dezember: Vielerorts kommt der weißbärtige Nikolaus in seinem roten Mantel in die Kindergärten und befragt die Kinder, ob sie denn auch artig gewesen seien. Das liest er nach in einem goldenen Buch, wo die guten Taten der braven, und in einem schwarzen Buch, wo die Schandtaten der bösen Kinder verzeichnet sind. Er wird dabei begleitet vom Knecht Ruprecht, der die Geschenke an die artigen Kinder verteilt, aber auch die Rute bereithält für die unartigen. In Frankreich ist es der père Fouettard („der mit der Peitsche“), der den Kindern den heiligen Schrecken einjagt und sie zum Bravsein auffordert. Diese Angst machenden Gesellen wurden dem heiligen Nikolaus aus erzieherischen Gründen beigegeben und haben ihren Ursprung im spätmittelalterlichen „Kinderschreck“, der die Kinder zur Frömmigkeit mahnte.

Da wird für mich die Sache fragwürdig – ist ein solcher Schrecken eher heilsam oder eher schädlich? Lieber ist es mir, wenn der Nikolaus nachts ungesehen kommt und in aller Ruhe die Stiefel füllt … Was meinst du dazu?

Deine Elisa

Nikolaus auf seinem Weg durch den Schneewald

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