Ein massiver Waldbrand hält am Dienstag die Region Les Pennes-Mirabeau nördlich von Marseille in Atem. 30 Hektar Land fielen den Flammen bisher zum Opfer. Und noch ist kein Ende in Sicht.
168 Feuerwehrleute und 62 Löschfahrzeuge sind ununterbrochen im Einsatz, um die lodernde Gefahr einzudämmen. Doch der Wind macht ihnen einen Strich durch die Rechnung.
Der Mistral, dieser schneidende, trockene Wind aus Nordwesten, der schon so manchen Brand entfacht und genährt hat, bläst seit sechs Uhr morgens ohne Gnade. „Der Wind hat nicht nachgelassen – im Gegenteil, er hat sogar zugenommen“, erklärte Christophe Magny, der Direktor des Feuerwehr- und Rettungsdienstes im Département Aude. Seine Stimme klang entschlossen, aber auch besorgt.
Die Präfektur rief umgehend zum Schutz der Menschen auf. Bewohner mehrerer Sektoren der Gemeinde Les Pennes-Mirabeau mussten in ihren Häusern bleiben, Türen und Fenster geschlossen halten. Wer kann, soll sich von der Feuerfront fernhalten. Ein einfacher, aber drastischer Satz – der alles sagt: „Restez confinés.“
Doch nicht nur Häuser und Wälder sind bedroht.
Auch der Flugverkehr liegt lahm. Der Flughafen Marseille-Provence schloss seine Pisten am Mittag, um Piloten und Passagiere nicht zu gefährden. Dichter Rauch und unberechenbare Winde machen Starts und Landungen unmöglich. Niemand weiß, wie lange der Ausnahmezustand dauern wird.
Ein Blick über die Départementsgrenzen zeigt ein noch düstereres Bild.
In der Aude, südwestlich von Marseille, hat ein weiteres Feuer bereits über 2.000 Hektar Vegetation verschlungen. Das entspricht einer Fläche von mehr als 2.800 Fußballfeldern – verbrannte Erde, die bis zum Horizont reicht. „Der Brand ist weiterhin aktiv und nicht unter Kontrolle“, so Magny.
Über 1.000 Feuerwehrleute kämpften dort in der Nacht gegen die Flammenwand. Es ist eine Arbeit an der Grenze menschlicher Kraft – mit Schaufeln, Löschlanzen und der unerschütterlichen Überzeugung, Leben und Heimat zu retten.
Fünf von ihnen erlitten leichte Verletzungen, während auch fünf Zivilisten, darunter ein Kind, medizinisch versorgt werden mussten. Zum Glück nur leicht verletzt – dieses kleine Wort „leicht“ wiegt schwer inmitten solcher Katastrophenmeldungen. Insgesamt zählte die Präfektur am frühen Dienstagmorgen zehn Verletzte.
Die Lage bleibt dramatisch.
Die Behörden halten ihre Schutzmaßnahmen konsequent aufrecht. Bewohner der Viertel Roches-Grises, Montplaisir und Réveillon, des Domaine de la Jonquières in Narbonne, Prat-de-Cest in Bages sowie der gesamten Gemeinde Peyriac-de-Mer müssen weiterhin in ihren Wohnungen bleiben. Einige Weiler wurden evakuiert.
Auch die Infrastruktur ist betroffen.
Die wichtige Autobahn A9, die Frankreich mit Spanien verbindet und entlang des Mittelmeers führt, wurde am Morgen zwar wieder freigegeben, doch die Präfektur warnte: „Die Verkehrsbedingungen bleiben schwierig.“
Rauchschwaden ziehen über die Fahrbahnen, Sichtweiten schrumpfen zeitweilig auf wenige Meter. Die Angst fährt mit – in jedem Auto, das die betroffenen Abschnitte passiert.
Besonders alarmierend: Météo-France setzte gleich drei Départements – Bouches-du-Rhône, Var und Vaucluse – auf die höchste Alarmstufe. Der Waldbrandgefahrenindex zeigt Rot. Diese Einschätzung gilt unabhängig von aktuellen Bränden und beruht auf Faktoren wie Temperatur, Windgeschwindigkeit und Luftfeuchtigkeit.
Mit anderen Worten: Jeder Funke könnte zur Katastrophe werden.
Die Feuerwehrkräfte sind auf alles vorbereitet. Löschflugzeuge kreisen über den Hügeln, Helikopter lassen ihre Wassersäcke in tiefe Schluchten herab, um Flammenherde in unwegsamem Gelände zu erreichen. Doch bei starkem Wind ist selbst der Einsatz aus der Luft ein riskantes Manöver.
Frankreichs Süden erlebt einmal mehr die unbarmherzige Realität des Klimawandels.
Die Sommer werden trockener, heißer, windiger – ideale Bedingungen für Wald- und Buschbrände, die sich rasend schnell ausbreiten. Besonders in der Provence, wo es sonst nach Pinien, Thymian und Lavendel duftet. Jetzt riecht es an manchen Stellen nur noch nach Rauch, Asche und verbranntem Unterholz.
„C’est la guerre“, sagen viele Feuerwehrleute lakonisch. Es ist Krieg. Einer ohne klare Fronten, ohne Feinde – und doch mit Zerstörung und Angst.
Für die Menschen in Les Pennes-Mirabeau bleibt nichts, als abzuwarten. Türen schließen, Fenster verriegeln, Nachrichten hören, hoffen. Dass die Einsatzkräfte das Feuer bald bändigen. Dass der Wind endlich nachlässt.
Doch Hoffnung ist ein flüchtiges Gut in diesen Tagen.
Und so liegt Les Pennes-Mirabeau unter einer Glocke aus Rauch, während seine Bewohner in ihren Wohnzimmern auf Nachricht von draußen warten. Auf das eine Wort, das alle befreit: „Feuer gelöscht!“
Autor: Daniel Ivers
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