Es gibt Momente, in denen ein Gerichtsurteil nicht nur unverständlich ist, sondern zutiefst entmutigend. Die Entscheidung der Pariser Berufungsrichter, zwei Frauen freizusprechen, die Brigitte Macron jahrelang öffentlich als angebliche Transfrau diffamiert haben, ist so ein Moment. Sie ist ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, die täglich um Respekt kämpfen. Ein Schlag ins Gesicht aller Transmenschen, deren Identität pauschal zur Schmähung anderer missbraucht wird. Und ein Schlag ins Gesicht jeder Person, die an Wahrheit und Würde glaubt.
Ich frage mich: In was für einer Gesellschaft leben wir, wenn es ohne Konsequenz bleibt, eine Frau mit hasserfüllten Gerüchten zu demütigen? Wenn es okay ist, ihr ihr Frausein abzusprechen, ihre Biografie zu leugnen, ihre Kinder als Lüge darzustellen? Was soll dieses Urteil für Botschaften senden? Dass jede Frau zur Zielscheibe werden kann, weil ihr Körper oder ihre Biografie nicht in irgendein reaktionäres Weltbild passt?
Ja, es geht hier um Brigitte Macron, die Ehefrau des Präsidenten. Aber es geht vor allem um das Prinzip: Frauen werden öffentlich abgewertet, indem man ihnen ihre Weiblichkeit abspricht. Transmenschen werden instrumentalisiert, indem ihre Identität als Beleidigung für andere dargestellt wird. Und Gerichte schauen zu, weil der Tatbestand „Diffamation“ nicht formal erfüllt sei. Herzlichen Glückwunsch, Frankreich. Was für ein Armutszeugnis.
Es ekelt mich an, dass solche Verschwörungstheorien überhaupt kursieren. Aber es macht mich wütend, wenn die Justiz sie faktisch legitimiert, indem sie ihre Urheberinnen freispricht. Natürlich, Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht. Doch wer systematisch Lügen verbreitet, um andere zu entwürdigen, schützt nicht die Freiheit, sondern zerstört sie. Meinungsfreiheit ist kein Freibrief für Hass.
In einer Welt, in der Frauen ohnehin täglich für ihr Aussehen, ihre Körper, ihre Entscheidungen bewertet werden, ist diese Gerichtsentscheidung nicht nur falsch. Sie ist ein weiteres Signal: Ihr dürft alles sagen, alles behaupten, alles zerstören. Hauptsache, ihr behauptet, ihr meintet es „gut“.
Ich bin überzeugt: Wer dieses Urteil verteidigt, hat nicht verstanden, was Würde bedeutet. Und nicht verstanden, warum wir Gesetze brauchen, die Lüge, Diffamation und menschenverachtenden Hass nicht als legitime Meinung dulden.
Ein Kommentar von Andreas M. Brucker
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