Tag & Nacht


Ich sage es gleich vorweg: Wer sich heute noch über die Wiederverwendung von Abwasser in der Landwirtschaft empört, hat nichts verstanden. Nichts von der Klimakrise. Nichts vom Zustand unseres Planeten. Und vor allem nichts von der Verantwortung, die wir alle tragen.

Denn wir stehen längst nicht mehr vor der Wahl zwischen „frisch“ und „gebraucht“ – wir stehen am Rand des Wasserlochs. Und das wird von Jahr zu Jahr kleiner.

Was in Argelès-sur-Mer passiert, ist kein verzweifelter Versuch, das Unvermeidliche aufzuhalten. Es ist ein mutiger Befreiungsschlag. Ein Aufstand gegen das kollektive Wegducken. Während andere Regionen sich noch in Diskussionen über Zuständigkeiten und Zustände verlieren, wird hier gemacht. Behandelt. Geplant. Bewässert.

Ja, wir sprechen von Abwasser.

Von dem, was wir bisher weggespült haben – mit einem angewiderten Blick und der beruhigenden Annahme, dass sich „das da unten“ schon irgendwer kümmert. Doch jetzt kommt es zurück. Und das ist gut so.

Denn in Wahrheit geht es nicht nur um Wasser. Es geht um Würde.

Um die Würde derer, die trotz Dürre noch versuchen, ihre Felder zu bestellen. Um die Würde eines Landes, das nicht zusieht, wie seine Böden zu Staub werden. Und auch um unsere eigene Würde – die wir nur bewahren, wenn wir begreifen, dass Sauberkeit keine Frage der Herkunft ist, sondern der Behandlung.

Wir duschen in Trinkwasser, während Obstbäume verdursten. Wir spülen WCs mit dem, was in anderen Teilen der Welt als Schatz gilt. Und wir diskutieren darüber, ob Wasser aus der Kläranlage „zumutbar“ ist?

Zumutbar ist, was funktioniert.

Zumutbar ist, was Zukunft sichert.

Und ja – zumutbar ist, was Leben rettet. Auch wenn es aus der anderen Leitung kommt.

Ich kann den Zynismus mancher Kritiker nicht mehr hören. Die, die reflexhaft „gesundheitliche Risiken“ rufen, während das System längst auf EU-Niveau getestet ist. Die, die sich vor der Vorstellung ekeln, dass ein Apfel Wasser aus einem „Abwasserstrom“ getrunken hat – und gleichzeitig keinen Gedanken daran verschwenden, wie viel Pestizid, Öl, Mikroplastik und Abgas dem gleichen Apfel täglich zugemutet wird.

Wach auf, Gesellschaft. Wir sind nicht mehr im 20. Jahrhundert.

Wir sind mitten im Überlebensmodus – und Abwasser ist kein Müll mehr, sondern ein Rohstoff.

Und wer heute noch denkt, das sei „nicht normal“, dem sage ich: Genau. Es ist nicht normal. Aber Normal war gestern. Heute zählt nur, was und weiterträgt. Was hilft. Was bleibt.

Argelès-sur-Mer zeigt uns, wie Zukunft geht. Der Rest Europas sollte sehr genau hinschauen.

Autor: C. Hatty

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