Tag & Nacht




Die Rauchfahnen sind längst nicht mehr zu übersehen – weder am Himmel noch in der politischen Debatte. Europa steht in Flammen. Griechenland, die Türkei, Italien, Kroatien und selbst Deutschland ringen mit Wald- und Buschbränden von historischem Ausmaß. Es brennt nicht mehr nur punktuell, es brennt systematisch. Und das ist das eigentliche Alarmsignal.

Denn was sich in diesem Sommer 2025 abspielt, ist kein Naturereignis im herkömmlichen Sinn – es ist eine Klimakrise auf dem Brennpunkt. In Griechenland mussten nördlich von Athen, auf Kreta und Thasos ganze Ortschaften evakuiert werden, Touristen suchten Schutz an Stränden, während der heiße Meltemi-Wind das Feuer wie ein Blasebalg anfachte. Die Bilder gleichen jenen aus den Jahren zuvor – nur dramatischer, zerstörerischer, dichter an den urbanen Randzonen. Die Nähe zur Hauptstadt macht deutlich: Die Brandgefahr ist keine ländliche Angelegenheit mehr, sondern eine urbane Realität.

Ähnlich dramatisch zeigt sich die Lage in der Türkei. In den Provinzen Izmir, Bilecik und Aydın griffen die Flammen rasend schnell um sich. 50.000 Menschen wurden evakuiert, zwei Menschen starben. Und während der Rauch dichter wird, bleibt die politische Aufarbeitung diffus. Es herrscht Krisenmanagement, aber kein Krisenbewusstsein. Warum ist das so?

Auch Deutschland war und ist betroffen – und das nicht zum ersten Mal. Brandenburg, mit seinen sandigen Kiefernwäldern längst ein Hotspot für Waldbrände, musste in der Gohrischheide Katastrophenalarm ausrufen. Die Grenze zu Sachsen wurde zur Brandgrenze. Mehrere Gemeinden räumten Häuser, während Löschflugzeuge über die Baumwipfel donnern. Es ist ein Szenario, das mittlerweile traurige Routine ist – und dennoch wirkt die nationale Koordination nach wie vor zögerlich, unentschlossen, unvorbereitet.

Besonders bitter trifft es die Ferienregionen. An Kroatiens Adriaküste wüten die Brände unkontrolliert. Die Feuer nahe Split bedrohen nicht nur Wälder, sondern Hotels, Strände, Existenzen. Die Feuerwehr nennt die Lage „sehr ernst“ – ein Euphemismus, der wohl der touristischen Diplomatie geschuldet ist. Wenn die wirtschaftliche Lebensader des Landes Feuer fängt, ist das mehr als ein Umweltproblem. Es ist ein nationales Risiko.

In Italien schließlich fordert die Kombination aus Hitze und Trockenheit nicht nur Brände, sondern bereits Todesopfer. Auch hier: Süden betroffen, Landwirtschaft gefährdet, Infrastruktur am Limit. Und währenddessen wird weiter diskutiert, ob die Mittelmeerregion wirklich schon „Dauerkrisenraum“ ist – als wäre das noch eine Frage.

Die Europäische Union hat inzwischen reagiert – zumindest ansatzweise. 650 Feuerwehrleute aus 14 Mitgliedsstaaten sollen während der heißen Monate an neuralgischen Punkten stationiert werden. Frankreich, Griechenland, Portugal und Spanien gelten als Hotspots. Doch was bringen 650 Männer und Frauen, wenn tausende Hektar in Flammen stehen? Wenn Waldkonzepte nicht mehr greifen? Wenn die Koordination zu spät greift, die Mittel zu langsam fließen, die Strategien sich auf symbolpolitische Maßnahmen beschränken?

Es ist eine Frage der Perspektive. Denn solange Wald in Europa primär als Wirtschaftsfaktor gesehen wird – als Holzlieferant, CO₂-Senke, Erholungsfläche – wird man ihn nicht systemisch schützen können. Der Wald ist Lebensraum, Klimapuffer, Risikozone. Und er ist verletzlich. Er brennt nicht einfach so. Er brennt, weil er überhitzt, weil er ausgetrocknet ist, weil er nicht mehr gepflegt, sondern ausgebeutet wird. Und weil er sich gegen ein Klima wehren muss, das ihm den Atem nimmt.

Wer nun wieder über „Prävention“ spricht, der sollte den Begriff neu denken. Es reicht nicht, Truppen zu schicken, wenn es schon brennt. Es braucht flächendeckende Entzerrung der Waldbestände, bessere Brandfrüherkennung, konsequente Reduzierung von Monokulturen. Und ja – es braucht endlich ein einheitliches europäisches Waldschutzkonzept, das nicht an nationalen Grenzen haltmacht.

Denn der Wald denkt nicht in Nationalfarben.

Was also tun? Auf Brüssel zeigen? Auf die Feuerwehr hoffen? Auf Regen warten? Oder vielleicht doch einmal ernsthaft an den Ursachen arbeiten?

Es ist fünf nach zwölf. Und der Rauch wird dichter.

Von C. Hatty

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