Tag & Nacht


Es war ein warmer Julitag in Umm al-Khair, einem palästinensischen Dorf im südlichen Westjordanland. Die Stille der kargen Hügel wurde durch das Dröhnen von Bulldozern zerrissen. Was zunächst wie ein weiterer Tag unter Besatzung wirkte, endete mit einem Mord – und einem internationalen Aufschrei.

Awdah Hathaleen, ein palästinensischer Aktivist, wurde erschossen. Nicht irgendwo – sondern inmitten eines Angriffs von israelischen Siedlern auf palästinensisches Land. Die Tat hat nicht nur Wut ausgelöst. Sie hat ein Wort wieder auf den diplomatischen Tisch gebracht, das viele bislang vermieden haben: Terrorismus.

Frankreich sparte nicht mit Klartext. Die Gewalt extremistischer Siedler im Westjordanland sei „Terror“, erklärte das Außenministerium in Paris. Und forderte: Israel müsse seine Bürger zur Rechenschaft ziehen – konsequent, unmissverständlich.

Der Fall Hathaleen ist kein Einzelfall. Aber er ist ein Symbol geworden.

Denn der 38-Jährige war mehr als ein Aktivist. Als Mitwirkender der preisgekrönten Dokumentation No Other Land hatte er ein Gesicht bekommen – und eine Stimme. Eine Stimme für all jene, deren Existenz zwischen Grenzzäunen, Straßensperren und Siedlergewalt immer wieder ausgelöscht wird.

Sein Tod lässt die Frage unausweichlich werden: Wie lange noch?

Der mutmaßliche Täter, Yinon Levi – ein Siedler, kein Soldat – wurde zwar festgenommen. Doch die israelischen Behörden entließen ihn kurz darauf in den Hausarrest. Hausarrest – nach einem tödlichen Schuss auf offener Straße.

Für viele Palästinenser und internationale Beobachter gleicht das unerträglichem Hohn. Frankreich, Saudi-Arabien und mehrere EU-Staaten fordern inzwischen Konsequenzen. Nicht nur für Levi, sondern für ein System, das solche Taten offenbar duldet – oder gar schützt.

Besonders brisant: Levi war kein Unbekannter. Als „Sicherheitskoordinator“ seiner Siedlung hatte er enge Verbindungen zum israelischen Militär – eine Position, die zivil ist, aber oft mit Waffen, Macht und stiller Rückendeckung einhergeht. Wer ihn stoppte, war kein israelischer Offizier. Es war der internationale Druck.

Denn dieser Fall überschreitet Grenzen. Politisch, moralisch – und menschlich.

Frankreich hat gehandelt. Lautstark, diplomatisch – und mit Worten, die Gewicht haben. Die Bezeichnung „Terrorismus“ ist keine Floskel. Sie ist ein Signal. An Israel, an Europa, an die Weltgemeinschaft. Wer Gewalt gegen Zivilisten organisiert, systematisch durchführt und damit ganze Bevölkerungsgruppen in Angst versetzt, darf sich nicht länger hinter juristischen Feinheiten verstecken.

Die EU hat bereits Sanktionen gegen gewalttätige Siedler in Betracht gezogen. Ob es dabei bleibt, hängt von der weiteren Eskalation ab – und von der politischen Entschlossenheit, derartige Übergriffe nicht weiter hinzunehmen.

Doch neben aller Diplomatie bleibt die Realität in Umm al-Khair. Wo einst Hütten standen, liegen heute Trümmer. Wo einst Menschen ihr tägliches Leben führten, trauern sie jetzt. Und wo einst Awdah Hathaleen seine Geschichte erzählte, bleibt nur noch die Erinnerung.

Es sind Geschichten wie seine, die uns erschüttern.

Denn Hathaleen war kein Mann der Gewalt. Er war ein Mann des Wortes, des Bildes, der Würde. Und das macht seine Ermordung umso schwerer zu ertragen. Nicht weil sein Leben mehr zählte als andere – sondern weil es ein Licht war, das jetzt fehlt.

Bleibt die Hoffnung, dass dieser Mord nicht nur betrauert, sondern verfolgt wird. Dass Worte wie „Terrorismus“ nicht in diplomatischen Akten verstauben, sondern zu Taten führen. Und dass sich aus der Wut über den Tod eines Einzelnen der Wille formt, endlich für Frieden zu sorgen.

Ein gerechter Friede. Keine Illusion.

Autor: C.H.

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