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Donald Trump hat kaum ein halbes Jahr seiner zweiten Amtszeit absolviert, da richtet sich der Blick des ehemaligen Reality-TV-Stars und heutigen US-Präsidenten bereits auf die Zeit nach seinem voraussichtlich letzten Amtsjahr. In einem überraschend offenen Moment gegenüber der Presse äußerte Trump am 5. August erstmals öffentlich die Möglichkeit, dass sein derzeitiger Vizepräsident, J.D. Vance, als sein „dauphin“ – sein Thronfolger innerhalb der „Make America Great Again“-Bewegung – in seine Fußstapfen treten könnte. „Es ist gut möglich (…), er ist der Vizepräsident“, so Trump, und fügte hinzu: „Er macht ohne Zweifel einen sehr guten Job und wäre zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich Favorit.“

Eine frühe Andeutung mit politischer Sprengkraft

Die Bemerkung ist insofern bemerkenswert, als sich Trump bislang stets geweigert hatte, einen Nachfolger zu benennen oder zu fördern – eine bewusste Strategie, um seine eigene politische Zentralstellung im republikanischen Lager zu wahren. Seit seinem Wahlsieg 2024 inszeniert sich Trump einmal mehr als unangefochtener Führer der amerikanischen Rechten. Dass er nun, nur wenige Monate nach Amtsantritt, seinem Vize eine mögliche Präsidentschaftskandidatur 2028 in Aussicht stellt, könnte eine Zäsur darstellen – sowohl innerhalb des republikanischen Machtgefüges als auch für die strategische Ausrichtung der „MAGA“-Bewegung.

Zugleich ist die Botschaft doppeldeutig: Trump deutet an, sich künftig aus der ersten Reihe zurückziehen zu wollen, ohne dies ausdrücklich zu sagen. Bereits früher hatte er mit einem verfassungswidrigen dritten Mandat kokettiert, war davon jedoch wieder abgerückt – nicht zuletzt wegen juristischer und parteiinterner Widerstände.

Wer ist J.D. Vance?

J.D. Vance, Jahrgang 1984, wurde durch seine autobiografische Milieustudie Hillbilly Elegy bekannt, die ihm als intellektueller Brückenschlag zwischen abgehängter amerikanischer Arbeiterschicht und konservativer Ideologie breite Aufmerksamkeit einbrachte. Nach seiner Wahl zum Senator für Ohio im Jahr 2022 profilierte er sich als markant konservative Stimme, die traditionelle Familienwerte, wirtschaftlichen Protektionismus und eine aggressive Kulturkampfrhetorik miteinander verbindet. Die Entscheidung, ihn 2024 als Vizepräsidentschaftskandidaten zu nominieren, galt als kluger Schachzug Trumps, um jüngere Wählerschichten anzusprechen und die ideologische Kohärenz der „MAGA“-Bewegung zu festigen.

Seit dem Regierungsantritt im Januar 2025 ist Vance sichtbar präsent: Er führt Arbeitsgruppen zu Grenzsicherheit, Bildung und Familienpolitik und zeigt sich regelmäßig an der Seite des Präsidenten bei öffentlichen Auftritten – ein Kontrast zur eher marginalisierten Rolle, die Mike Pence während Trumps erster Amtszeit eingenommen hatte.

Ein konservatives Tandem für die Zukunft?

Trump ließ in seinen Äußerungen zudem durchblicken, dass auch Außenminister Marco Rubio, einst Rivale, heute loyales Kabinettsmitglied, eine Rolle im zukünftigen republikanischen Führungszirkel spielen könnte. Eine mögliche Allianz Vance–Rubio für 2028 sei denkbar. Politisch wäre dies ein Bündnis zweier sehr unterschiedlicher, aber sich ergänzender Strömungen: Rubio verkörpert eher das außenpolitisch erfahrene Establishment, während Vance als Speerspitze des postliberalen, kulturkonservativen Populismus agiert.

Die Überlegungen zur Nachfolge sind nicht nur ein parteiinterner Fingerzeig, sondern auch ein strategisches Signal an die republikanische Basis wie auch an potenzielle Konkurrenten: Trump will die Richtung und das Personal seines politischen Erbes selbst bestimmen. Die MAGA-Bewegung, so die Botschaft, endet nicht mit seiner zweiten Amtszeit – sie wird weitergeführt, unter seiner Regie.

Risiken eines frühen Kronprinzen

Die frühe Nennung eines potenziellen Nachfolgers birgt allerdings auch Risiken. Politikwissenschaftler wie David Frum oder Susan Glasser weisen darauf hin, dass sich „dauphins“ in der amerikanischen Geschichte selten als problemlose Lösungen erwiesen haben. Von Lyndon B. Johnson über Al Gore bis zu Joe Biden war der Weg vom Vizepräsidenten zum Präsidenten stets von komplexen parteiinternen Machtkämpfen begleitet – und oft von Entfremdung gegenüber dem vorherigen Amtsinhaber. Dass Trump einen Nachfolger benennt, könnte frühzeitige Fraktionsbildungen befördern und die Einheit der Republikaner vorzeitig belasten.

Hinzu kommt: Vance steht zwar hoch im Kurs bei Teilen der konservativen Basis, polarisiert jedoch stark. Seine Ablehnung internationaler Allianzen, sein Kulturkampf-Fokus und seine Nähe zu christlich-nationalistischen Gruppen könnten gemäßigtere Republikaner und unabhängige Wähler abschrecken – eine Herausforderung für einen landesweiten Wahlkampf.

Die politische Landschaft bis 2028 bleibt jedoch volatil. Noch ist natürlich unklar, ob Vance sich tatsächlich durchsetzen könnte – sowohl in einer möglichen Vorwahl als auch in einer allgemeinen Wahl. Seine enge Bindung an Trump könnte sich als Sprungbrett oder als Hypothek erweisen, je nachdem, wie sich die zweite Amtszeit des Präsidenten entwickelt.

Trump hat mit seinen Äußerungen jedenfalls das erste Kapitel im Rennen um die Nachfolge aufgeschlagen – und J.D. Vance an die Spitze des republikanischen Schachbretts gesetzt.

Autor: Andreas M. Brucker

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