Ja, wir brauchen Polizeikontrollen. Ohne sie gäbe es Chaos, und die, die sich an keine Regeln halten, hätten leichtes Spiel. Niemand will in einem Land leben, in dem Kriminelle ungestört ihre Runden drehen. Aber – und das ist ein gewaltiges Aber – wieso endet in Frankreich eine Verkehrskontrolle immer öfter in einem Leichensack?
Man kann mir erzählen, was man will: dass es gefährliche Situationen sind, dass Polizisten oft in Sekundenbruchteilen entscheiden müssen. Stimmt alles. Aber wie oft müssen wir noch hören, dass „leider“ jemand tot ist? Ein 17-Jähriger in Bièvres. Vor zwei Jahren ein anderer junger Mann in Nanterre. Dann wieder einer in Marseille. Das kann doch nicht unser „normal“ sein.
Wir reden hier nicht von Geiselnahmen oder bewaffneten Überfällen. Wir reden von Fluchten, von durchgetretenen Gaspedalen – gefährlich, ja. Aber rechtfertigt das, dass ein junger Mensch sein Leben verliert? Wollen wir ernsthaft akzeptieren, dass ein Nicht-Anhalten an einer Polizeikontrolle zu einer tödlichen Lotterie wird?
Mir ist klar: Wer vor der Polizei flieht, macht sich schuldig. Aber auch die Polizei trägt Verantwortung – nicht nur für sich selbst, sondern für alle Beteiligten. Wer eine Uniform trägt, hat nicht nur Macht, sondern auch eine verdammt große Pflicht zur Zurückhaltung.
Und ja, diese Pflicht ist unbequem, vor allem in Momenten voller Adrenalin. Aber genau das unterscheidet einen Rechtsstaat von einer Westernstadt, in der der Schnellste am Abzug gewinnt.
Vielleicht müssen wir endlich ehrlich werden: Wir haben eine Kultur der Verfolgung, in der „nicht entkommen lassen“ oft wichtiger wirkt als „keiner soll sterben“. Das ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche – einer Schwäche, die sich hinter Blaulicht und Einsatzjacke versteckt.
Also frage ich: Wollen wir weiter wegsehen, wenn wieder ein Jugendlicher stirbt – nur weil er nicht sofort gebremst hat? Oder schaffen wir es, Protokolle und Ausbildung der Polizei so zu ändern, dass Kontrolle nicht mehr gleichbedeutend mit Todesgefahr ist?
Denn am Ende sollte doch gelten: Lieber lässt man einen Dieb entkommen, als eine Mutter zur Beerdigung ihres Kindes zu zwingen.
Ein Kommentar von C. Hatty
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