Es gibt Daten, die wie Wegmarken im Kalender der Geschichte stehen – der 22. August gehört zweifellos dazu. An diesem Tag ballen sich Ereignisse, die Kriege beendeten, neue Konflikte lostraten oder schlicht Symbole für Mut, Fortschritt und Wandel wurden.
England, Irland, Korea – globale Schlaglichter
Im Jahr 1485 endet bei der Schlacht von Bosworth Field die Epoche der Rosenkriege. König Richard III. fällt auf dem Schlachtfeld, und mit Heinrich VII. beginnt die Tudor-Dynastie, die später mit Figuren wie Heinrich VIII. und Elisabeth I. ein prägendes Zeitalter der englischen Geschichte hervorbringen sollte. Ein Machtwechsel, der weit über England hinausstrahlte und das europäische Gleichgewicht neu ordnete.
Knapp zwei Jahrhunderte später, 1642, entfaltet sich eine andere dramatische Szene: König Karl I. hisst in Nottingham sein Banner. Ein symbolischer Akt – der Startschuss für den Englischen Bürgerkrieg. Damals ging es nicht nur um die Frage, wer die Krone trägt, sondern um das Verhältnis zwischen Parlament und Monarchie, eine Diskussion, die letztlich den Weg für moderne Verfassungsstaaten bahnte.
Noch weiter östlich, im Jahr 1910, erklärt Japan die Annexion Koreas. Für die koreanische Bevölkerung beginnt eine harte Zeit der Kolonialherrschaft. Die Folgen dieser Entscheidung wirken bis heute nach – wer die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel betrachtet, blickt noch immer auf ein Echo dieses 22. August.
Und dann Irland: 1922 fällt Michael Collins, einer der zentralen Architekten der irischen Unabhängigkeit, einem Attentat zum Opfer. Kaum jemand verkörperte die Hoffnungen des jungen irischen Staates so sehr wie er. Sein Tod erschüttert das Land und hinterlässt eine Lücke, die im Bürgerkrieg tiefe Spuren hinterließ.
Fortschritt, Sport und Weltraumträume
Nicht alles an diesem Tag ist blutig. Am 22. August 1851 etwa segelt die Yacht „America“ vor der Isle of Wight als Siegerin durchs Ziel. Die Geburtsstunde des America’s Cup – bis heute einer der prestigeträchtigsten Wettbewerbe des Segelsports.
Über hundert Jahre später, 1963, schreibt der amerikanische Testpilot Joseph Walker Luftfahrtgeschichte. Mit seinem X-15 erreicht er über 100 Kilometer Höhe – zum zweiten Mal in seiner Karriere. Damit ist er der erste Mensch, der zwei Mal die Grenze zum Weltraum überschritt. Ein kleiner Schritt für die Raumfahrt, aber ein Symbol für menschliche Kühnheit.
Und auch Baseballfreunde verbinden den 22. August mit einer Bestmarke: 1989 gelingt Nolan Ryan sein 5 000. Strikeout. Ein Rekord, der seine Karriere unsterblich macht und in den Chroniken des Sports bis heute glänzt.
Frankreich – zwischen Tragödie und Triumph
Für Frankreich ist der 22. August ein besonders ambivalentes Datum.
1914, noch ganz am Anfang des Ersten Weltkriegs, verliert die französische Armee an einem einzigen Tag rund 27 000 Soldaten. Es ist der blutigste Tag der französischen Militärgeschichte. Die „Bataille des frontières“ wird zu einem nationalen Trauma, das bis heute in Geschichtsbüchern und Erinnerungsorten nachhallt.
Doch nicht nur Schlachten prägen dieses Datum. Am 22. August 1962 entgeht Präsident Charles de Gaulle nur knapp einem Attentat. In Petit-Clamart eröffnen Mitglieder der OAS, die gegen seine Algerienpolitik kämpften, das Feuer auf seinen Wagen. De Gaulle überlebt – und stärkt damit paradoxerweise seine Autorität noch. Man könnte fast sagen: Aus der Gefahr wächst sein Mythos.
Auch die Wissenschaft schreibt an diesem Tag mit: 1895 entdeckt der französische Astronom Auguste Charlois den Asteroiden (406) Erna. Ein kleiner Himmelskörper vielleicht, aber ein weiterer Baustein im stetig wachsenden Wissen über das Universum.
Und ganz in die Gegenwart: 2021 verkündet Frankreich, dass Joséphine Baker in das Panthéon aufgenommen wird. Die Tänzerin, Widerstandskämpferin und Bürgerrechtlerin – geboren in den USA, doch Französin aus Überzeugung – wird so zur ersten schwarzen Frau, die diesen symbolträchtigen Ehrenplatz erhält. Was für ein starkes Signal für Vielfalt und Gleichheit!
Ein Tag wie ein Kaleidoskop
Blutige Gefechte, politische Attentate, sportliche Triumphe, wissenschaftliche Entdeckungen – selten zeigt ein Datum so viele Facetten wie der 22. August. Da fragt man sich unweigerlich: Zufall oder steckt darin ein Muster? Natürlich ist es nur ein Kalenderblatt. Aber es offenbart, wie Geschichte sich verdichtet, wie verschiedene Strömungen an einem Punkt zusammenlaufen können – und das macht dieses Datum so spannend.
Vielleicht erinnert uns der 22. August daran, dass Fortschritt und Rückschlag, Mut und Gewalt, Triumph und Tragödie oft nur wenige Stunden, manchmal sogar nur wenige Herzschläge voneinander entfernt liegen.
Und seien wir ehrlich: Wer hätte gedacht, dass ein einziges Datum so viel erzählt?
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