Die französische Bergwelt erlebt ein Comeback – und zwar nicht im Winter, sondern im Sommer. Was lange als klassisches Wintersport-Eldorado galt, wird zunehmend zur Alternative für hitzemüde Strandurlauber. Zwischen klarer Höhenluft, schattigen Tälern und einem Freizeitangebot, das weit über Skilifte hinausgeht, entdecken immer mehr Reisende die Berge als sommerliche Zuflucht.
Zahlen, die für sich sprechen
Die Statistik zeigt es schwarz auf weiß: Laut der Vereinigung der Bürgermeister französischer Bergstationen stieg die Auslastung der Unterkünfte im Sommer 2024 um 2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zwar war der Juli mit einem Minus von 4 Prozent etwas schwächer, doch der August holte das mehr als auf – plus 7,5 Prozent. Besonders deutlich war die Dynamik in den Pyrenäen (+8 Prozent) und in den Südalpen (+5 Prozent), während die Nordalpen ein stabiles Niveau hielten.
Auch die Reisepläne der Franzosen selbst belegen den Trend: 28 Prozent gaben 2024 an, ihren Sommer künftig in den Bergen verbringen zu wollen – ein Sprung von 11 Prozent gemessen am Vorjahr. Das ist mehr als nur eine kleine Verschiebung, es ist ein deutlicher Richtungswechsel.
Warum die Berge plötzlich so verlockend sind
Die Gründe liegen auf der Hand – und doch steckt hinter dem Trend mehr als nur eine Mode.
Da ist zum einen die Hitze. Wer einmal bei 40 Grad in einer aufgeheizten Großstadt stand, weiß, warum 1.500 Meter Höhe plötzlich nach einem Geschenk klingt. Während unten der Asphalt flimmert, liegt oben eine Brise in der Luft, die fast wie ein Versprechen wirkt.
Hinzu kommt das Aktivangebot: Wandern über alpine Pfade, Mountainbiken auf wilden Trails, Paragliding mit Panoramablick oder auch schlicht ein Nachmittag in einer Therme – die Berge bieten mehr als nur stille Täler. Sie sind Abenteuerspielplatz und Rückzugsort zugleich.
Und dann die Ruhe. Wer schon einmal im August an der Côte d’Azur nach einem Platz am Strand gesucht hat, weiß, wie wohltuend ein fast leerer Wanderweg sein kann. Statt Handtuch an Handtuch und Kindergeschrei – Stille, Weite, Vogelgezwitscher.
Schließlich wächst das Bewusstsein für nachhaltiges Reisen. Die Berge locken nicht nur mit Natur, sondern auch mit einem Versprechen: Urlaub mit kleinerem ökologischen Fußabdruck, näher dran an der Erde, weniger Konsum, mehr Erlebnis.
Neue Wege für alte Stationen
Doch der Boom ist nicht nur ein Geschenk für Reisende – er ist auch eine Notwendigkeit für die Bergregionen selbst. Der Klimawandel setzt dem klassischen Wintertourismus zu. Weniger Schnee bedeutet weniger Skitage. Viele Stationen reagieren: Statt nur auf Lifte und Pisten zu setzen, investieren sie in Sommerangebote, in Radwege, Wanderinfrastruktur oder Outdoor-Events.
Manche Gemeinden gehen sogar noch weiter und stellen ihr wirtschaftliches Modell um – weg von der ausschließlichen Abhängigkeit vom Skitourismus, hin zu einem ganzjährigen Erlebnisraum. Das ist nicht nur klug, es ist überlebenswichtig.
Ein Blick nach vorn
Alles deutet darauf hin, dass der Trend keine Eintagsfliege ist. Immer mehr Gastgeber schnüren neue Pakete: Yoga auf der Almwiese, kulinarische Wochen mit regionalen Produkten, Festivals unter Sternenhimmel. Auch die touristischen Werbekampagnen betonen nicht mehr nur Schneesicherheit, sondern auch den Sommerzauber der Berge.
Früher hieß es: Wer hoch hinaus will, schnallt sich Ski an. Heute lautet die Devise: Wanderschuhe reichen. Und wer weiß – vielleicht werden die Berge in Zukunft genauso selbstverständlich mit Sommerurlaub assoziiert wie früher mit Winterspaß.
Die französische Bergwelt ist jedenfalls dabei, sich neu zu erfinden – und sie tut es mit einer Mischung aus Authentizität, Vielfalt und leiser Grandezza, die schwer zu überbieten ist.
Autor: C.H.
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