Tag & Nacht


Es ist ein Bild, das sich in die Erinnerung brennt: ein kleines Dorf in den Bergen, eingeklemmt zwischen Felsen und Hügeln, wo Menschen seit Generationen in einfachsten Verhältnissen leben. Und dann – binnen weniger Minuten – nichts mehr. Keine Häuser, keine Stimmen, nur noch Erde, Schlamm und Geröll.
Am 31. August 2025 wurde das Dorf Tarasin in den Marrah-Bergen im Sudan von einem gewaltigen Erdrutsch ausgelöscht. Über 1.000 Menschen verloren ihr Leben. Nur eine Person überlebte.

Das ist mehr als eine Katastrophe. Es ist ein kollektives Verschwinden.

https://twitter.com/WENewsEnglish/status/1962836588037280028

Wenn Regen zur Waffe der Natur wird

Die Ursache liegt in tagelangen Regenfällen, die den Boden in der Bergregion von West-Darfur aufweichten. Wer die Gegend kennt, weiß: Die Hänge sind steil, der Untergrund fragil, das Risiko von Bergrutschen allgegenwärtig.
Doch was hier geschah, übersteigt das Maß des Gewohnten. Riesige Erdmassen brachen los, rissen Häuser, Vieh und Menschen mit sich – ohne Vorwarnung, ohne Chance zur Flucht.

Wie ein dunkler Vorhang fiel die Erde über Tarasin.


Ein Dorf ohne Zeugen

Nach Schätzungen der Rebellenorganisation Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A), die in der Region herrscht, lebten in Tarasin gut 1.000 Menschen. Fast alle starben. Nur ein einziger Überlebender wurde gefunden – ein Schicksal, das ihn zum einsamen Zeugen eines ausgelöschten Lebensraumes macht.

Ein Dorf, in dem gestern noch gekocht, gelacht und gestritten wurde, existiert heute nicht mehr. Nur Stille.

https://twitter.com/KotFM_KE/status/1962819494335635542

Kein Weg für die Helfer

Das Drama verschärft sich durch die Lage des Dorfes. Tarasin liegt in einer abgeschotteten, schwer zugänglichen Zone. Keine Straßen, kein Telefonnetz, keine schnelle Hilfe. Erreicht werden kann die Region nur zu Fuß oder mit Eseln.
Hinzu kommt: West-Darfur ist seit Jahren von Konflikten zerrissen. Rebellen, Milizen, Regierungsarmee – sie alle beanspruchen Einfluss. Für humanitäre Organisationen ist das Gebiet faktisch kaum erreichbar.

Das heißt: Während die Welt auf die Bilder anderer Naturkatastrophen reagiert, bleibt Darfur weitgehend im Dunkeln. Kein internationales Hilfsteam, keine sofortige Bergungsaktion. Die Überlebenschancen sinken mit jeder Stunde – und in Tarasin gab es ohnehin kaum welche.


Die unterschätzte Gefahr in Darfur

Die Marrah-Berge sind das Herzstück von Darfur, eine grüne Oase inmitten karger Landschaft. Doch sie bergen Risiken. Starke Regenfälle sind keine Seltenheit, und in den engen Tälern entstehen immer wieder Schlammlawinen und Überschwemmungen.
Meist betreffen sie nur einzelne Felder oder Wege. Doch der Erdrutsch von Tarasin zeigt: Die Natur kann auch hier mit brutaler Wucht zuschlagen.

In einem Land, das ohnehin von humanitären Krisen, Hunger und Bürgerkrieg erschüttert ist, bleibt kaum Raum für Katastrophenvorsorge. Frühwarnsysteme, stabile Bauten, schnelle Notfallpläne – all das existiert nicht.


Eine Katastrophe ohne Echo?

Über 1.000 Tote – eine Zahl, die aufhorchen lassen müsste. Doch die internationale Resonanz bleibt bislang erstaunlich leise.
Darfur ist kein interessantes Schlagwort mehr. Zu viele Krisen haben die Region schon erschüttert, zu oft hat die Weltgemeinschaft mit Achselzucken reagiert. Das Leid verschwindet in den Schlagzeilen, kaum dass es sichtbar wurde.

Doch darf man hinnehmen, dass ein ganzes Dorf verschwindet, ohne dass es ein Echo hinterlässt?


Erinnerung an ein untergegangenes Dorf

Die Tragödie von Tarasin ist mehr als eine Naturkatastrophe. Sie ist das Sinnbild für die Verletzlichkeit von Menschen, die an den Rändern der Welt leben.
Hier, wo Politik, Konflikt und Naturkatastrophen zusammenstoßen, verschwinden ganze Gemeinschaften, ohne dass sie Spuren in der globalen Erinnerung hinterlassen.

Tarasin existiert nicht mehr – aber die Geschichte seiner Menschen darf nicht ebenso ausgelöscht werden.

Autor: C.H.

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