Brive-la-Gaillarde, 12. September 2025. Zwei Fälle von Chikungunya, direkt vor Ort übertragen. Keine Fernreisen, kein exotischer Urlaub, sondern das Herz des Limousin. Die Nachricht der Regionalen Gesundheitsagentur Nouvelle-Aquitaine wirkt wie ein kleiner Paukenschlag. Denn was lange als tropische Krankheit galt, klopft nun an die Haustür der Corrèze – und zeigt, wie weit sich der Tigermücke ihre neue Heimat bereits erobert hat.
Eine unsichtbare Reisegefährtin
Chikungunya – der Name klingt fast melodisch, die Realität dahinter ist es nicht. Ein Virus, das von der Tigermücke (Aedes albopictus) übertragen wird, löst hohes Fieber, Gelenkschmerzen und Hautausschläge aus. Für die meisten Betroffenen verläuft die Krankheit zwar ohne tödliche Folgen, doch wer sie einmal hatte, spricht von wochen- oder monatelangen Schmerzen, die das Leben lahmlegen.
Dass die beiden Patienten in Brive das Virus nicht aus dem Ausland mitgebracht haben, sondern es direkt in ihrer Umgebung aufgeschnappt haben, ist ein Wendepunkt. Es bedeutet: Die Mücke ist da, sie sticht – und sie überträgt.
Vom Mittelmeer in die Mitte Frankreichs
Noch vor wenigen Jahren war die Tigermücke ein Ärgernis, das man eher in Nizza oder Marseille erwartete. Heute dagegen ist sie fast flächendeckend in Frankreich präsent, mit Ausnahme einiger Hochlagen wie der Creuse. Das Jahr 2025 liefert Zahlen, die die Dimension unterstreichen: 98 autochthone Fälle in Nouvelle-Aquitaine, 382 landesweit. Dazu gesellen sich kleinere Dengue-Cluster. Eine stille, aber stetige Ausbreitung – beschleunigt durch Klimawandel, mildere Winter, globale Warenströme und die erstaunliche Anpassungsfähigkeit dieser winzigen Insekten.
Kampf im Hinterhof
Die Reaktion in Corrèze ließ nicht lange auf sich warten. In Brive wurden die betroffenen Wohngebiete sofort Ziel von Entmückungsaktionen: Sprühgeräte, Larvizide, das Abtöten möglicher Brutstätten. Gleichzeitig erhielten Ärztinnen und Ärzte Hinweise, worauf sie achten sollen – Fieber über 38,5 Grad, Gelenkschmerzen, Hautausschläge. Je früher ein Verdachtsfall erkannt wird, desto schneller können Schutzmaßnahmen greifen.
Das klingt nach routiniertem Krisenmanagement. Doch der eigentliche Kampf findet in Vorgärten, auf Balkonen und in Regentonnen statt. Denn dort, in ein paar Zentimetern stehendem Wasser, entstehen Armeen von Tigermücken.
Wenn Prävention Alltag werden muss
„Deck das Regenfass ab, sonst gibt’s ne Mückenplage!“ – eine Binsenweisheit, die plötzlich zur Gesundheitsstrategie wird. Die Behörden betonen immer wieder: Der wirksamste Schutz beginnt im Alltag. Blumentopf-Untersetzer regelmäßig leeren. Kinderplanschbecken ausschütten. Mückennetze anbringen. Repellents nutzen. Ventilatoren aufstellen – der Luftzug macht es den leichten Insekten schwer.
Und was tun, wenn es einen doch erwischt? Bei Fieber, Gliederschmerzen und Ausschlägen sofort ärztlichen Rat suchen. So lassen sich Übertragungen schneller erkennen und eindämmen.
Ein nationales Warnsignal
Die Corrèze mag auf den ersten Blick weit weg von tropischen Bildern wirken – doch die Krankheitsrealität holt die Region ein. Frankreich registriert mittlerweile fast 50 Übertragungscluster allein in diesem Jahr. Wer da noch glaubt, der Tigermücke den Zutritt verwehren zu können, irrt.
Die eigentliche Frage lautet: Wie organisiert eine Gesellschaft den Alltag mit einem neuen Gesundheitsrisiko? Nicht mit Panik, aber auch nicht mit Gleichgültigkeit. Mit Aufklärung, mit Solidarität – und mit der Erkenntnis, dass Gesundheitsschutz längst nicht mehr nur in Kliniken stattfindet, sondern vor der eigenen Haustür.
Die zwei Fälle in Brive sind keine Katastrophe, sondern ein Signal. Aber eines, das man ernst nehmen sollte.
Autor: C.H.
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