Frankreich diskutiert seit Monaten ein steuerpolitisches Instrument, das das Potenzial hat, europäische Debatten nachhaltig zu prägen – und gleichzeitig das Land selbst tief spaltet: die sogenannte Zucman-Steuer. Gemeint ist eine jährliche Mindestbesteuerung sehr großer Privatvermögen. Was international oft als pauschaler Zwei-Prozent-Satz auf Milliardärsvermögen gedacht ist, wird in Frankreich in Varianten ab etwa 100 Millionen Euro Nettovermögen diskutiert. Der politische Reiz des Vorschlags liegt auf der Hand: In Zeiten wachsender Vermögenskonzentration und solider Kapitalmarktgewinne wächst der Druck, die steuerliche Unterbesteuerung an der Spitze des Reichtums effektiver zu adressieren – ohne dabei Investitionen zu gefährden. Doch hinter der Idee steht mehr als bloße Symbolpolitik.
Ein Mindestmaß an Beitrag
Die Zucman-Steuer greift eine Logik auf, die bereits in der globalen Unternehmensbesteuerung Anwendung findet: Eine Mindestlast, die Steuervermeidung durch nationale Spielräume begrenzen soll. Statt weiterer Sonderregelungen für Vermögende setzt das Konzept auf universelle Untergrenzen – unabhängig von Wohnsitz, Herkunft der Einkünfte oder nationalen Schlupflöchern.
Technisch lassen sich zwei Wege unterscheiden: Entweder wird eine direkte Abgabe auf das Nettovermögen erhoben – etwa 2 % jährlich –, oder es kommt zu einer indirekten Besteuerung über fiktive Einkünfte. Dabei wird das Vermögen mit einem pauschalen Ertragssatz (z. B. 7 %) bewertet und dieser Betrag als Einkommen der Besteuerung unterworfen – bis die gewünschte Mindestbelastung erreicht ist. Letzteres Modell zielt auf eine höhere Vollzugstauglichkeit und bessere Abdeckung schwer bewertbarer Vermögensformen. Politisch allerdings ist es nicht weniger umstritten.
Frankreichs steuerpolitische Erfahrung
Die französische Debatte fällt nicht auf unvorbereiteten Boden. Jahrzehntelang existierte mit der ISF – der Impôt de solidarité sur la fortune – eine umfassende Vermögenssteuer, die hohe Nettovermögen unabhängig von der Vermögensart belastete. 2017 wurde sie im Zuge wirtschaftspolitischer Reformen unter Präsident Macron zur IFI umgebaut und auf Immobilienvermögen beschränkt. Die neue Debatte knüpft an dieses Erbe an – jedoch mit verändertem Fokus: Nicht mehr breite Vermögensgruppen sollen erfasst, sondern gezielt das oberste Promille besteuert werden.
Entsprechend hoch liegt die Schwelle: Diskutiert wird eine Einstiegshöhe bei 100 Millionen Euro. Die politische Sprengkraft liegt jedoch weniger in dieser Zahl als in der Rückkehr zu einer umfassenden Bewertung – also auch von Unternehmensbeteiligungen, Stiftungen, Kunstvermögen oder Private Equity. Genau hier beginnen die komplexen Abgrenzungs- und Umsetzungsfragen.
Drei Argumente für die Steuer
Die Befürworter der Zucman-Steuer führen vor allem drei Argumente ins Feld. Erstens ein Gerechtigkeitsversprechen: Wer dauerhaft und im großen Maßstab vom internationalen Kapitalmarkt profitiert, müsse auch in Jahren ohne realisierte Gewinne einen Beitrag zum Gemeinwesen leisten. Zweitens eine fiskalische Stabilisierung: Eine Vermögensmindeststeuer könnte die Abhängigkeit des Staates von konjunkturabhängigen Einnahmen verringern. Und drittens ein symbolisches Moment: Der Sozialstaat wird nicht länger ausschließlich über Lohn- und Verbrauchssteuern finanziert, sondern auch über einen dauerhaften Beitrag der ökonomisch Stärksten.
Und drei Gegenargumente
Auf der Gegenseite stehen ebenso gewichtige Einwände. Zunächst das Standortargument: Eine nationale Alleinfahrt birgt das Risiko, dass Vermögende ihren Steuersitz ins Ausland verlagern oder auf legale Ausweichstrategien zurückgreifen. Zweitens die Bewertungs- und Liquiditätsfrage: Gerade bei nicht-börsennotierten Vermögenswerten ist die Wertermittlung komplex, Ausschüttungen oft nicht verfügbar – das Phänomen der „Papiermilliardäre“ ohne liquide Mittel ist real. Drittens bestehen verfassungsrechtliche Bedenken: Eigentumsgarantie, Gleichheitsgrundsatz und das Erfordernis klarer, nachvollziehbarer Bemessungsgrundlagen setzen dem steuerpolitischen Gestaltungsspielraum Grenzen.
Wenn Technik politisch wird
Die Debatte um Mindeststeuern auf Vermögen zeigt: Technische Details sind politisch. Das gilt besonders für die Bewertungsfragen. Während Aktien oder liquide Finanzanlagen einfach zu bewerten sind, ist das bei Familienunternehmen, Beteiligungsgesellschaften oder Sammlungsobjekten ungleich schwieriger. Frankreich könnte auf Erfahrungen der früheren ISF zurückgreifen – etwa in Form pauschaler Abschläge, Bewertungsabschläge und Stundungsregelungen. Ohne pragmatische Lösungen in diesen Bereichen droht die Steuer nicht nur ineffizient, sondern auch wirtschaftlich schädlich zu wirken. Ein wichtiges Korrektiv könnte ein Anrechnungsmechanismus sein: Wer in Frankreich bereits hohe Steuerlasten über Einkommens-, Quellen- oder Erbschaftsteuern trägt, soll Gutschriften auf die Mindestlast erhalten. Das senkt Doppelbelastungen und fokussiert die Wirkung auf Unterbesteuerte.
Nationale Initiative oder europäische Einbettung?
Ob sich das Projekt politisch realisieren lässt, hängt nicht zuletzt vom Grad internationaler Koordination ab. Eine national beschlossene Zucman-Steuer wäre rechtlich anfälliger und ökonomisch riskanter. Eine abgestimmte europäische Initiative – etwa im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit – könnte hingegen Flankenschutz bieten. Die französische Debatte ist sich dessen bewusst. Immer wieder ist zu hören, dass ein nationaler Einstieg mit Übergangsfristen und gleichzeitiger diplomatischer Initiative auf europäischer Ebene kombiniert werden müsse, um Wirkung und Akzeptanz gleichermaßen zu sichern.
Am Ende geht es weniger um ein moralisches Urteil über Reichtum, sondern um die Frage, ob ein konsistentes, rechtssicheres und wirtschaftlich tragfähiges Design möglich ist. Nur wenn die Bewertungslücken geschlossen, Doppelbelastungen begrenzt und internationale Standards abgestimmt werden, kann eine Mindeststeuer auf Vermögen mehr sein als ein symbolisches Projekt. Scheitert das Vorhaben an seinen technischen und politischen Widersprüchen, droht es in die Reihe gut gemeinter, aber letztlich folgenloser Gerechtigkeitsversprechen einzugehen.
Autor: P. Tiko
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