Tag & Nacht


Die Herbststürme melden sich mit voller Wucht zurück. „Benjamin“, so der Name der aktuellen Unwetterfront, ist in der Nacht zum Donnerstag über große Teile Frankreichs hinweggefegt – mit Orkanböen, sintflutartigem Regen und meterhohen Wellen an den Küsten.

Nach Angaben des Netzbetreibers Enedis sind am Donnerstagmorgen über 100.000 Haushalte ohne Strom, die meisten davon in Nouvelle-Aquitaine, wo allein 45.000 Anschlüsse betroffen sind. Weitere 15.000 Stromausfälle wurden in Bourgogne-Franche-Comté und Auvergne-Rhône-Alpes gemeldet.


19 Départements in Alarmbereitschaft

Météo-France hat 19 Départements sowie Andorra auf Vigilance orange, also erhöhte Warnstufe, gesetzt. Betroffen sind vor allem der Westen und Süden des Landes: von der Gironde und den Landes über die Pyrénées-Atlantiques bis zur Haute-Corse. Der Grund: Orkanartige Winde, Überflutungen durch Starkregen und an der Atlantikküste eine akute Gefahr durch Wellen und Sturmfluten.

In der Normandie und der Bretagne peitschten die Böen bereits besonders heftig. In Fécamp (Seine-Maritime) erreichten sie 161 km/h, am Cap de la Hève sogar knapp 150 km/h. In der Manche meldete man Windspitzen von 135 km/h in Barneville-Carteret – genug, um Bäume wie Streichhölzer zu knicken und Strommasten niederzureißen.

„Das ist eine klassische, aber sehr kräftige Herbststörung“, erklärt ein Sprecher von Météo-France. Doch der Begriff „klassisch“ klingt fast verharmlosend, wenn man die Folgen betrachtet.


Bahnverkehr weitgehend lahmgelegt

Auch der Bahnverkehr liegt teilweise still. In der Normandie ist der TER-Verkehr fast vollständig eingestellt, nur wenige Verbindungen – etwa zwischen Paris und Rouen oder Paris und Vernon – verkehren eingeschränkt. Zwischen Caen und Rennes fahren derzeit gar keine Züge.

In der Bretagne und den Pays de la Loire kommt es zu Verspätungen und Zugausfällen. Besonders betroffen sind die Strecken Brest–Quimper, Brest–Nantes und Rennes–Nantes. Bahnreisende sollen vor Fahrtantritt die Websites der regionalen TER-Netze prüfen.


Gefahr auf See – Warnung an Freizeitkapitäne

Die französische Atlantikküste zeigt sich derzeit von ihrer ungestümen Seite. Meterhohe Wellen schlagen gegen die Deiche, Gischt sprüht über Hafenmauern.

Der Maritimesprecher Guillaume Le Rasles, Fregattenkapitän und Vertreter des Präfekten für die Atlantikküste, rät eindringlich zur Vorsicht: „Freizeitkapitäne sollten ihre Ausfahrten verschieben. Die Bedingungen sind schlicht zu gefährlich.“

Besonders Fischerboote und kleinere Segelyachten geraten bei solchen Wetterlagen rasch in Seenot. Schon am Mittwochabend mussten mehrere Häfen in der Bretagne und der Normandie vorsorglich gesperrt werden.


Stromausfälle und Einsatzkräfte im Dauereinsatz

In den betroffenen Regionen sind hunderte Techniker und Feuerwehrleute unterwegs, um umgestürzte Bäume zu beseitigen und Leitungen zu reparieren. Der Netzbetreiber Enedis setzt auch mobile Generatoren ein, um Krankenhäuser und kritische Infrastrukturen zu versorgen.

Die Wiederherstellung der Stromversorgung kann dauern – vor allem in ländlichen Gebieten, wo Sturmschäden oft schwer zugänglich sind.

„Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet“, so Enedis am Morgen. „Doch die Reparaturen hängen vom Wetter ab – und das bleibt vorerst stürmisch.“


Ein Sturm, der bleibt

Benjamin ist nicht der erste Herbststurm dieser Saison – aber er gilt als der bislang kräftigste. Meteorologen erwarten, dass sich das Tiefdrucksystem erst im Verlauf des Wochenendes abschwächen wird. Bis dahin müssen sich viele Regionen Frankreichs auf weitere Windböen, lokale Überflutungen und schwierige Verkehrsbedingungen einstellen.

Und es stellt sich die Frage: Wie sehr sind wir inzwischen an solche Stürme gewöhnt? Oder stumpfen wir nur ab, während das Klima längst neue Maßstäbe setzt?

Von Andreas M. Brucker

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