Es ist ein Satz, der eigentlich selbstverständlich klingen sollte – und doch schmerzt er in seiner Notwendigkeit: Auch ein Prinz muss sich an Recht und Gesetz halten. Und wenn er das nicht tut? Dann gehört er nicht ins Exil. Sondern vor ein ordentliches Gericht. Mit allen Konsequenzen.
Was sich im Fall Andrew abspielt, ist kein Akt royaler Größe. Es ist ein Akt politischer Notwehr. Nach Jahren des Schweigens, Vertuschens, Abwartens und medialer Schutzschirme wird ein Mann endlich seiner Titel entledigt, der sich nach allem, was bekannt ist, niemals wie ein würdiger Repräsentant einer Monarchie verhalten hat.
Doch das allein reicht nicht.
Ein Name, ein Titel, ein Wohnsitz – das sind Äußerlichkeiten. Was bleibt, ist die Frage nach Verantwortung. Nach echter Rechenschaft. Und diese Frage hat Großbritannien bis heute nicht beantwortet.
Was wäre, wenn Andrew kein Prinz gewesen wäre?
Die Antwort kennt jeder, der Augen und ein Gefühl für Gerechtigkeit hat: Ein durchschnittlicher Bürger mit vergleichbaren Vorwürfen – Nähe zu einem verurteilten Sexualstraftäter, persönliche Missbrauchsbeschuldigungen, millionenschwere außergerichtliche Einigungen – hätte längst in einem Gerichtssaal gesessen. Öffentlich. Und unter Eid.
Doch Andrew durfte schweigen. Sich „herauskaufen“. Interviews verweigern. Auf das Wohlwollen der Krone hoffen. All das war möglich, weil er ein Prinz war – nicht trotzdem.
Man kann das nicht oft genug sagen: Die Monarchie hat versagt, indem sie zu lange geschwiegen und gedeckt hat. Sie hat damit ihren moralischen Anspruch verspielt – nicht nur in diesem einen Fall, sondern als Institution.
Kein Glanz ohne Transparenz
Viele feiern nun König Charles für seinen späten, aber entschlossenen Schritt. Doch wo war diese Konsequenz, als Andrew 2019 sein legendär desaströses BBC-Interview gab? Wo war das öffentliche Signal, als die außergerichtliche Einigung mit Virginia Giuffre verkündet wurde – eine Einigung, die mehr Fragen aufwarf als beantwortete?
Stattdessen zog sich Andrew zurück, lebte weiterhin auf königlichem Grund, geschützt von Mauern, Geld und Tradition.
Ein modernes Staatswesen – und dazu zählt auch eine konstitutionelle Monarchie – darf sich solch ein Paralleluniversum nicht leisten.
Die Frage nach dem Rechtsstaat
Es geht nicht um Rache. Nicht um mediale Hinrichtung. Es geht um Gleichheit vor dem Gesetz.
Wenn ein ehemaliger US-Präsident vor Gericht steht, ein französischer Ex-Staatschef verurteilt und sogar inhaftiert wird, Minister in Europa wegen Fehlverhalten zurücktreten müssen – warum sollte ein Prinz davon ausgenommen sein?
Weil er eine Krone im Stammbaum trägt?
Weil es „der Familie schaden würde“?
Das sind Argumente aus einer anderen Zeit – aus einer Ära, in der Blut wichtiger war als Recht. Doch diese Zeit ist vorbei.
Wir leben im Jahr 2025. Wir sprechen über Transparenz, über #MeToo, über Schutz von Betroffenen, über die Verantwortung der Eliten. Und dann sehen wir zu, wie ein Mann im Schutz der Geschichte davonkommt?
Nein. Das reicht nicht mehr.
Ein Titel weniger – und doch nicht genug
Dass Andrew nun seine königlichen Ehren verliert, ist richtig. Aber es ist zu spät. Und es ist zu wenig.
Was wir brauchen, ist nicht nur symbolische Reinigung. Sondern eine kompromisslose Haltung gegenüber Machtmissbrauch – egal, ob der Täter Blaublut trägt oder Blaumann.
Ein wahrhaft modernes Königshaus wäre nicht stolz darauf, sich von Andrew zu distanzieren. Sondern beschämt darüber, es nicht früher getan zu haben.
Ein Rechtsstaat funktioniert nicht durch höfische Gesten. Sondern durch Gerichte, Gerechtigkeit – und den Mut, auch den eigenen Bruder nicht zu schonen.
Wir leben nicht mehr im Mittelalter. Und es wird Zeit, dass sich auch die Monarchie daran erinnert.
Autor: C. Hatty
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