Tag & Nacht


In kaum einer anderen Stadt der USA ist Donald Trump so präsent wie in New York – sei es als Bauunternehmer, Fernsehmilliardär oder (Ex)-Präsident. Doch ausgerechnet in der liberalen Hochburg, die ihn politisch nie akzeptierte, versucht Trump im Jahr 2025 zum Königsmacher aufzusteigen. Bei der Bürgermeisterwahl in New York City mischt er sich mit ungewöhnlicher Vehemenz ein – und bringt damit nicht nur das lokale Parteiensystem, sondern auch föderale Grundsätze ins Wanken.


Ein kalkulierter Tabubruch

Donald Trump hat sich in den letzten Wochen offen hinter den parteiunabhängigen Kandidaten Andrew Cuomo gestellt – ausgerechnet jenen ehemaligen Gouverneur von New York, der nach seinem erzwungenen Rücktritt im Jahr 2021 politisch abgeschrieben war. Für Trump jedoch ist Cuomo das geringere Übel im Vergleich zum demokratischen Kandidaten Zohran Mamdani, einem linken Abgeordneten mit Wurzeln in der Working Families Party.

In Reden und auf seinem sozialen Netzwerk „Truth Social“ bezeichnete Trump Mamdani als „Kommunisten“ und kündigte an, New York City im Falle von Mamdanis Wahlsieg nur noch das „absolute Minimum“ an Bundesmitteln zukommen zu lassen. „Wenn dieser radikale Sozialist Bürgermeister wird, wird New York zur dritten Welt“, so Trump wörtlich laut TIME.

Diese direkte Einflussnahme ist ungewöhnlich – selbst für US-Verhältnisse, wo politische Rhetorik oft scharf ist. Ein ehemaliger Präsident, der offen droht, eine Stadt finanziell auszutrocknen, sollte sie nicht den „richtigen“ Kandidaten wählen, bewegt sich an der Grenze zum institutionellen Erpressungsversuch.


Machtpolitisches Kalkül

Trumps Intervention ist kein impulsiver Alleingang, sondern Teil eines kalkulierten Machtspiels. Es geht ihm dabei nicht allein um New York. Die Metropole ist für Trump von symbolischer Bedeutung: Sie ist seine Heimatstadt – und war stets sein ideologisches Gegenbild. Seine politischen Niederlagen dort (im Jahr 2020 erhielt er in NYC nur 23 % der Stimmen) dürften sein persönliches Motiv verstärken, sich dort doch noch als dominierender Faktor zu etablieren.

Zugleich setzt Trump auf eine Polarisierungsstrategie, die sich seit 2016 bewährt hat: Indem er linke Kandidaten als Feindbild aufbaut, mobilisiert er konservative Wähler – auch über Parteigrenzen hinweg. Andrew Cuomo, dessen Politik als Gouverneur als moderat-progressiv galt, erscheint Trump als potenzieller Bündnispartner gegen Mamdani. Dass Cuomo derzeit parteilos kandidiert, erhöht seine strategische Anschlussfähigkeit.

Die republikanische Partei spielt dabei eine Nebenrolle. Trump soll laut Berichten sogar Druck ausgeübt haben, den republikanischen Kandidaten Curtis Sliwa zum Rückzug zu bewegen – um das konservative Lager hinter Cuomo zu einen. Eine de facto Koalition gegen die progressive Linke also, orchestriert von einem US-Präsidenten, der von persönlichen Eitelkeiten getrieben scheint.


Reaktionen und Widerstände

Die Reaktionen in New York fielen heftig aus. Gouverneurin Kathy Hochul warf Trump vor, sich „als Königsmacher aufzuspielen“, und warnte vor dem Missbrauch föderaler Finanzinstrumente zur politischen Disziplinierung. Auch Bürgermeister Eric Adams, der nicht zur Wiederwahl antritt, sprach von einem „gefährlichen Präzedenzfall“.

Juristisch ist Trumps Drohung zur Finanzierungskürzung kaum haltbar. Zwar verfügt der Präsident über gewisse Spielräume bei der Mittelvergabe, doch viele Förderprogramme sind gesetzlich fixiert oder unterliegen Mitentscheidungsrechten des Kongresses. Zudem könnten gezielte Kürzungen als parteipolitisch motivierte Diskriminierung verfassungsrechtlich angreifbar sein – der Guardian weist auf frühere Fälle hin, in denen Gerichte derartige Praktiken untersagten.

Politisch jedoch entfaltet Trumps Intervention Wirkung. Cuomo, der zu Beginn des Wahlkampfs als Außenseiter galt, verzeichnet in jüngsten Umfragen deutliche Zugewinne – auch weil moderate Wähler in Manhattan und Queens zunehmend verunsichert sind durch Mamdanis explizit sozialistische Positionen zu Wohnungsbau, Polizeireform und Vermögensumverteilung.


Eine Wahl mit Signalwirkung

Der eigentliche Konflikt dieser Wahl ist somit nicht Cuomo gegen Mamdani, sondern Establishment gegen linke Basis, Föderalismus gegen Zentralmacht, und nicht zuletzt: Trumpismus gegen urban-liberale Selbstbestimmung. Dass sich diese Auseinandersetzung in einer Kommunalwahl entlädt, ist Ausdruck eines tiefgreifenden Strukturwandels in der US-Politik.

Lokale Wahlen, traditionell von Sachfragen und Nähe zur Bevölkerung geprägt, werden zunehmend zu Projektionsflächen nationaler Lagerkämpfe. Das zeigt sich nicht nur in New York: Auch in San Francisco, Atlanta oder Chicago nahmen in den letzten Jahren parteipolitische Polarisierungen bei Bürgermeisterwahlen deutlich zu.

Trump testet nun, wie weit er diesen Trend treiben kann – als Präsident mit erheblichem politischem Kapital. Die Wahl in New York wird damit zu einem Testfall: Kann ein Präsident durch strategische Polarisierung und mediale Inszenierung das Ergebnis einer Wahl in einer Großstadt wie New York beeinflussen? Und wenn ja – mit welchen Folgen für das demokratische Selbstverständnis auf lokaler Ebene?

Es ist offen, ob Trumps Rechnung aufgehen wird. Fest steht: Der Versuch allein verändert das Spiel. Und möglicherweise auch die Regeln.

Autor: Andreas M. Brucker

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