Es gibt Tage, die klingen sperrig. Der Internationale Tag für die Verhütung der Ausbeutung der Umwelt in Kriegen und bewaffneten Konflikten ist so einer. Ein Name wie ein Gesetzestext. Doch hinter der sperrigen Wortkonstruktion steckt eine der brennendsten Fragen unserer Zeit: Was geschieht mit der Natur, wenn Menschen gegeneinander in den Krieg ziehen?
Die Antwort ist so offensichtlich wie erschreckend. Die Umwelt verliert. Immer. Und sie leidet oft länger als die Menschen.
Denn während Waffen schweigen, wächst auf vergifteten Böden kein Weizen mehr. In verdampfte Flüsse kehrt kein Fisch zurück. Was in den Wirren bewaffneter Auseinandersetzungen zerstört, ausgebeutet oder verseucht wird, ist nicht bloß ein Kollateralschaden. Es ist eine Hypothek auf die Zukunft. Eine stille, schleichende Verwüstung, die sich nicht in Schlagzeilen messen lässt – aber in Hunger, Flucht und Hoffnungslosigkeit.
Die Natur wird im Krieg nicht nur Opfer. Sie wird zur Waffe. Wälder werden niedergebrannt, um dem Feind Deckung zu nehmen. Wasserquellen werden vergiftet, Felder zerstört, Tiere getötet. Rohstoffe wie Gold, Öl oder seltene Erden finanzieren Milizen und verlängern das Leiden. Umwelt wird damit zum strategischen Ziel – nicht aus Bosheit, sondern aus Kalkül.
Dabei ist das Ökosystem kein neutraler Zuschauer, sondern ein tragendes Fundament menschlichen Lebens. Wenn es kippt, fällt alles andere mit. Gerade in den fragilen Regionen dieser Welt, wo Menschen direkt von der Natur abhängen, bedeutet Umweltzerstörung mehr als nur ökologische Trauer. Sie zerstört Lebensgrundlagen, destabilisiert Gesellschaften, verschärft Konflikte – und verlängert sie.
Und doch wird sie oft vergessen. In Friedensverhandlungen, in Wiederaufbauplänen, in der internationalen Aufmerksamkeit. Wer spricht schon vom sterbenden Wald, wenn nebenan Menschen sterben? Aber genau hier liegt das Problem: Es gibt keinen Frieden, der auf verbrannter Erde gedeiht. Kein Wiederaufbau, der mit verseuchtem Wasser gelingt.
Natürlich, die Bilder aus Gaza, der Ukraine, aus dem Sudan oder aus Syrien zeigen menschliches Leid in erschütternder Klarheit. Doch was man nicht sieht: die zerstörten Ackerflächen, die kollabierten Trinkwassersysteme, die Abholzungen, die zu Flüchtlingsbewegungen führen – Jahrzehnte nach dem letzten Schuss.
Die Umwelt hat keine Lobby in Kriegszeiten. Sie kann keine Stimme erheben. Sie klagt nicht, sie leidet still. Umso mehr braucht sie unsere Aufmerksamkeit – und unsere Verantwortung.
Wer heute über Frieden spricht, darf nicht bei politischen Abkommen stehen bleiben. Frieden muss ökologisch gedacht werden. Es reicht nicht, Minen zu räumen und Waffen zu verbieten. Man muss Flüsse entgiften, Wälder aufforsten, Böden heilen. Man muss Natur zur Mitverhandlerin machen – und ihr ein Recht auf Unversehrtheit zugestehen, auch im Krieg.
Natürlich ist das idealistisch. Aber ist es nicht noch viel idealistischer, zu glauben, dass eine zerstörte Umwelt und ein stabiler Frieden zusammenpassen?
Die industrialisierte Welt, sicher und satt, trägt an dieser Tragödie mehr mit, als ihr oft bewusst ist. Die Rohstoffe, die unsere Autos fahren lassen, unsere Smartphones glänzen lassen, kommen nicht selten aus Gebieten, in denen Gewalt herrscht – und Umweltzerstörung Alltag ist. Jede Nachfrage hat ihre Herkunft. Und jeder Konsum seinen Preis.
Dieser Tag ist mehr als nur ein Mahnmal. Er ist ein Weckruf. Ein Appell an die Politik, dem Schutz der Umwelt auch in Konfliktregionen Priorität einzuräumen. Ein Auftrag an internationale Organisationen, Friedensprozesse ökologisch zu denken. Und ein Spiegel für uns alle: Wie lange wollen wir noch wegschauen?
Vielleicht braucht es sperrige Namen für unbequeme Wahrheiten. Dieser Gedenktag mag kompliziert klingen – aber seine Botschaft ist klar. Die Natur darf nicht das erste Opfer und das letzte Tabu in Kriegen sein.
Frieden beginnt dort, wo auch Bäume wieder wachsen dürfen.
Andreas M. B.
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