Kurz vor Weihnachten avancierten mehrere Bücher französischer Rechts- und Rechtspopulisten zu Bestsellern. Laut den Verkaufszahlen der Plattform Edistat, die von France Inter ausgewertet wurden, haben die Bücher von Nicolas Sarkozy, Philippe de Villiers und Jordan Bardella teils deutlich die Marke von 100.000 verkauften Exemplaren überschritten. Diese kommerzielle Dynamik ist bemerkenswert – doch was sagt sie über die politische Landschaft Frankreichs aus?
Der ehemalige Präsident Nicolas Sarkozy veröffentlichte mit Journal d’un prisonnier eine Art persönliche Abrechnung und Selbstrechtfertigung nach seiner Verurteilung wegen illegaler Wahlkampffinanzierung. Philippe de Villiers, Gründer der souveränistischen Partei Mouvement pour la France und langjähriger Akteur der französischen Rechten, publizierte unter dem Titel Populicide eine kulturpessimistische Kampfschrift gegen die angebliche „Zerstörung des Volkes“. Jordan Bardella, derzeit Vorsitzender des Rassemblement National (RN), bringt sich mit seinem Buch Ce que veulent les Français als legitimer Nachfolger Marine Le Pens in Stellung – eine Position, die zunehmend als Vorbereitung auf die Präsidentschaftswahl 2027 gedeutet wird.
Verkaufszahlen mit politischer Schlagkraft?
Nach Angaben von Edistat wurden bis zum 21. Dezember 161.504 Exemplare von de Villiers‘ Buch, 142.764 von Sarkozys Werk und 89.797 von Bardellas Publikation verkauft. Die tatsächlichen Zahlen dürften noch höher liegen, da Direktverkäufe bei Lesungen und Signierstunden nicht berücksichtigt wurden. Rein wirtschaftlich handelt es sich dabei um beachtliche Erfolge – insbesondere auf einem ansonsten rückläufigen französischen Buchmarkt.
Doch was bedeuten diese Zahlen politisch? Der Politologe Christian Le Bart von der Universität Rennes warnt vor vorschnellen Rückschlüssen: „Das Wählerpotenzial ist etwas anderes als das Leserpotenzial“, betont er. Selbst ein Publikum von mehreren hunderttausend Lesern stelle, in absoluten Zahlen, keine relevante Wählerbasis dar. Vielmehr sei dieser Bucherfolg ein Medienphänomen, das die Sichtbarkeit und Relevanz bestimmter politischer Akteure erhöhe – besonders in einem Umfeld, das sich bereits auf den Wahlkampf 2027 vorbereitet.
Der Bolloré-Effekt: Medienmacht und politische Agenda
Ein zentrales Element beim Erfolg dieser Bücher ist laut Le Bart das Verlags- und Medienumfeld. Alle drei Titel erschienen im renommierten Verlag Fayard, der inzwischen Teil der Bolloré-Gruppe ist – einem Medienimperium mit klar konservativem bis rechtspopulistischem Kurs. Fayard gehört seit 2021 zum Verlagskonzern Editis, der wiederum unter dem Dach des Mischkonzerns Vivendi von Vincent Bolloré steht.
Der Einfluss dieser Medienmacht ist nicht zu unterschätzen. Bolloré kontrolliert neben Fayard unter anderem auch Fernsehsender wie CNews, der sich stilistisch und inhaltlich an amerikanische Formate wie Fox News anlehnt, sowie Magazine und Radiostationen. Die omnipräsente Sichtbarkeit der genannten Bücher – etwa in Bahnhofsfilialen, TV-Talkshows oder konservativen Leitmedien – folgt einer durchdachten Kommunikationsstrategie, die politische Botschaften über kulturelle Kanäle verbreitet.
Politisches Buch als Wahlkampfinstrument
Der Erfolg dieser Werke lässt sich nicht losgelöst vom politischen Kalender interpretieren. Die französische Präsidentschaftswahl 2027 wirft bereits jetzt ihren Schatten voraus. Marine Le Pen hat angedeutet, nicht mehr kandidieren zu wollen – Jordan Bardella, derzeit Vorsitzender des RN und EU-Parlamentsabgeordneter, gilt als ihr designierter Nachfolger. Sein Buch versteht sich dabei weniger als inhaltliches Manifest denn als rhetorisches Positionierungspapier. Mit platten, aber wirkmächtigen Slogans wie „Ce que veulent les Français“ zielt Bardella auf Emotionalisierung und Identifikation – ein Spiel, das in sozialen Medien und TV-Debatten zunehmend dominiert.
Auch Nicolas Sarkozy verfolgt mit seiner Publikation eigene Ziele. Zwar ist eine Rückkehr in ein politisches Amt unwahrscheinlich, doch seine Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs bleibt hoch. In Journal d’un prisonnier inszeniert sich Sarkozy als Opfer der Justiz – ein Narrativ, das bei Teilen des bürgerlichen Lagers verfängt, die in den Institutionen der Republik zunehmend Misstrauen sehen.
De Villiers wiederum bedient mit Populicide ein intellektuelles Milieu, das sich vom politischen Mainstream entfremdet hat. Seine Thesen zur kulturellen Auflösung der Nation reihen sich ein in einen größeren Trend von Anti-Globalismus, anti-liberaler Kritik und der Sehnsucht nach nationaler Wiedergeburt – Themen, die auch außerhalb Frankreichs Konjunktur haben.
Kulturkampf durch Bestseller
Es wäre jedoch zu kurz gegriffen, in den Buchverkäufen lediglich ein Randphänomen zu sehen. In Zeiten wachsender Fragmentierung der Öffentlichkeit und steigender Skepsis gegenüber klassischen Institutionen entwickeln Bücher – und speziell politische Autobiografien oder Kampfschriften – eine neue Rolle: Sie sind zugleich Projektionsfläche, Identifikationsangebot und strategisches Kommunikationsinstrument.
Der politische Buchmarkt in Frankreich wird damit selbst zum Teil des Wahlkampfs – nicht als direkter Stimmenfänger, wohl aber als Mittel zur Agenda-Setzung. Der Verkaufserfolg wird zum Signal an Journalisten, Parteien und potenzielle Bündnispartner: Diese Stimmen haben Reichweite, ihre Themen besitzen Resonanz.
Gleichzeitig zeigt sich, wie wirkungsvoll eine medienübergreifende Struktur genutzt werden kann, um politische Narrative zu verankern. Die Koordination zwischen Verlag, Medien und Autoren – insbesondere im Umfeld der Bolloré-Gruppe – illustriert, wie sich kulturelle Produkte in politische Strategien einfügen. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen Journalismus, Literatur und Propaganda zunehmend.
Autor: Andreas M. Brucker
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