Ich sitze hier, braun gebrannt, erschöpft – und ehrlich gesagt: tief erschüttert. Mein Blick wandert über den sonnenverbrannten Rasen vor dem Fenster, während ich die Koffer packe. Noch vor zwei Wochen standen wir hier am Rand eines Pinienwaldes in Südfrankreich – heute ist dieser Wald nur noch Asche.
Wisst ihr, was das mit einem macht?
Was einst nach Lavendel und Kiefer duftete, riecht jetzt nach verbranntem Leben. Frankreich, dieses Paradies aus Wein, Wellen und Wärme, ist im Sommer 2025 zu einem flammenden Mahnmal geworden. Und während Kinder zwischen Taschen voller Sandspielzeug herumtollen, frage ich mich: Werden sie in zehn Jahren noch wissen, wie sich ein „normaler“ Sommer anfühlt?
Frankreich brennt – wortwörtlich
Kein Urlaubsort war sicher. Marseille – Flughafen dicht, weil Flammen bis an die Startbahn krochen. Die Autoroute A9 – gesperrt, weil das Feuer keine Gnade kennt. Und währenddessen: 40 Grad im Schatten. Schatten, den man sich inzwischen hart erkämpfen muss.
In der Aude brannte es schlimmer als je zuvor. 16.000 Hektar – puff – einfach weg. Da reden wir nicht von vertrocknetem Gestrüpp. Das sind ganze Landschaften. Orte voller Geschichten. Auch unsere.
In Narbonne saßen wir fest – die Kinder schwitzten im stickigen Ferienhaus, draußen heulte der Wind, durchzogen von Sirenengeheul. Als der Strom ausfiel, wurde mir klar: Das hier ist kein Urlaub mehr. Das ist ein Probelauf für eine Zukunft, die ich nie wollte.
Schluss mit dem Sommermärchen?
Frankreich ist nicht irgendein Land. Es ist das Land unserer Sommerfantasien. Der Lavendelduft in der Provence, das Kratzen der Kiesel unter den Füßen in Cassis, die Croissants, die morgens auf dem Markt so duften, als gäbe es keine Sorgen.
Aber dieser Sommer hat uns gezeigt: Selbst Sehnsuchtsorte sind nicht immun.
Wie lange können wir noch Jahr für Jahr in diese Idylle fliehen, während sie unter unseren Füßen zerbröckelt? Wie lange dauert es noch, bis wir erkennen, dass wir mit jedem Flug, jeder Autoreise, jedem „Ach, der Sommer war doch herrlich heiß!“ Öl ins Feuer kippen – im wahrsten Sinne des Wortes?
Politik im Halbschlaf, Tourismus im Delirium
Ja, Paris pflanzt Stadtwälder und verteilt Wasserspender. Klingt super. Ist es aber nicht. Es ist der Versuch, ein brennendes Haus mit einer Sprühflasche zu löschen.
Die Tourismusindustrie feiert Rekorde – während die Böden vor Trockenheit reißen, das Wasser knapp wird und Hitzewarnungen schon fast so alltäglich sind wie Mautgebühren.
Und nein, ich habe kein Verständnis mehr für diesen fatalen Optimismus. Wir leben nicht „trotz Klimakrise“, wir leben mitten in ihr. Und wer noch behauptet, das sei übertrieben – der war offenbar diesen Sommer nicht in Frankreich.
Eltern, wacht auf
Ich frage mich ernsthaft: Wie konnten wir so blind sein? Wir schieben unsere Kinder in klimatisierte Autos, fahren sie an überhitzte Strände, füttern sie mit Eis – und lassen sie dann einschlafen mit der Beruhigung, dass alles gut wird.
Aber wird es das?
Ich will, dass meine Kinder noch Sommer erleben, in denen „heiß“ nicht lebensgefährlich heißt. Ich will, dass sie ins Meer springen, weil’s Spaß macht – nicht, weil der Körper sonst überhitzt. Ich will, dass ein Lagerfeuer romantisch bleibt und nicht der Vorbote der nächsten Evakuierung ist.
Und ich? Ich bin wütend.
Wütend auf mich selbst, weil ich zu lange geschwiegen habe. Weil ich dachte, „wir fliegen ja nur einmal im Jahr“. Weil ich glaubte, das bisschen Urlaub könne doch kein Schaden sein.
Wütend auf die, die immer noch glauben, das Klima sei ein Thema für die Zukunft – obwohl es längst in unseren Wohnzimmern angekommen ist, sich auf unseren Terrassen breitmacht und unsere Ferienhäuser in Schutt und Asche legt.
Aber ich bin auch entschlossen
Ich will nicht mehr wegsehen. Nicht mehr schönreden. Nicht mehr schweigen.
Wenn wir wollen, dass Frankreich ein Sehnsuchtsort bleibt – für uns, für unsere Kinder, für alle – dann müssen wir den Kurs ändern.
Jetzt. Nicht morgen. Nicht irgendwann, wenn es politisch bequemer ist.
Schluss mit dem kollektiven Wegschauen
Was wir brauchen, ist eine neue Definition von Sommer. Eine, die sich nicht am Thermometer abarbeitet, sondern an Verantwortung, Gemeinschaft und Ehrlichkeit.
Und vielleicht ist das der erste Sommer, in dem wir kapieren: Ferien sind nicht mehr nur Pause vom Alltag – sie sind Teil eines größeren Bildes.
Eins, das wir verdammt noch mal selbst mitzeichnen.
Ein Kommentar von Andreas M. Brucker
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