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Fünf Tote, neun Verletzte, internationale Empörung: Der Angriff auf eine Bushaltestelle im Jerusalemer Stadtteil Ramot verdeutlicht, wie tief die Region zwischen Gewalt, Vergeltung und politischer Blockade verstrickt ist. Während Israels Führung Stärke demonstriert, warnt die internationale Gemeinschaft vor einer Eskalation ohne Ausweg.

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Ein Anschlag in einer ohnehin angespannten Lage

Am Montagmorgen eröffneten zwei Männer das Feuer auf Wartende an einer Bushaltestelle im Jerusalemer Viertel Ramot, das nach israelischer Lesart Teil der Hauptstadt ist, völkerrechtlich jedoch als besetztes Gebiet gilt. Fünf Menschen starben, neun weitere wurden verletzt, sechs von ihnen schwer. Ein Zivilist und ein Sicherheitsbeamter erschossen die beiden Angreifer.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach von einer „abscheulichen Attacke“ und reiste an den Tatort. Die Tat zählt zu den schwersten Anschlägen in der Stadt seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober. Der Vorfall reiht sich in eine Serie von Angriffen und Vergeltungsaktionen ein, die das Sicherheitsgefühl sowohl der israelischen als auch der palästinensischen Bevölkerung nachhaltig erschüttern.

Internationale Reaktionen zwischen Verurteilung und Mahnung

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verurteilte die Attacke „mit größter Entschiedenheit“ und betonte, nur eine politische Lösung könne Frieden und Stabilität in der Region sichern. Auch andere europäische Regierungen äußerten ihr Mitgefühl, verbunden mit der Forderung nach Deeskalation.

Beim UN-Menschenrechtsrat in Genf kritisierte Hochkommissar Volker Türk scharf die „genozidale Rhetorik“ einiger israelischer Spitzenpolitiker. Solche Worte, so Türk, untergrüben jede Perspektive auf friedliche Koexistenz. Die Wortwahl zeigt, wie stark sich der internationale Diskurs verschärft hat – eine Eskalation der Sprache, die Angesichts der Eskalation der Gewalt bemerkenswert ist.

Hamas begrüßt den Anschlag – Israel droht mit Vergeltung

Der militante Arm der Hamas erklärte, die Täter seien Palästinenser gewesen und bezeichnete die Tat als „natürliche Antwort“ auf die israelische Offensive in Gaza. Seit Beginn des Krieges haben israelische Streitkräfte laut palästinensischen Angaben mehrere Zehntausend Todesopfer gefordert, darunter viele Zivilisten.

Die israelische Armee reagierte mit Abriegelungen in der Region Ramallah und kündigte weitere Operationen an. Verteidigungsminister Israel Katz drohte auf X mit einer „Zerstörung Gazas“, sollte die Hamas die verbliebenen Geiseln nicht sofort freilassen. Der Ton erinnert an die Eskalationsrhetorik der 2000er-Jahre, als auf Selbstmordattentate massive Militäroperationen folgten.

Der Krieg verschiebt die Fronten – auch in Jerusalem

Während sich der militärische Fokus seit Wochen auf den Gazastreifen richtet, rücken die Spannungen in Jerusalem wieder in den Vordergrund. Der Stadtteil Ramot gilt als Siedlung auf annektiertem Gebiet, deren Status international nicht anerkannt ist. Für Palästinenser ist jeder Anschlag in diesem Kontext ein politisches Statement – auch wenn er vor allem zivile Opfer fordert.

Die Attacke verdeutlicht die Gefahr einer geografischen Ausweitung des Konflikts: Jerusalem bleibt ein Symbol und neuralgischer Punkt, an dem sich die politischen und religiösen Narrative beider Seiten verdichten. Mit jedem Anschlag wächst die Gefahr, dass sich die Gewalt von Gaza in die Westbank und weiter in die gesamte Region hinein verlagert.

Politische Sackgasse ohne Ausweg

Die internationale Diplomatie steht vor einem Dilemma. Einerseits gibt es ein wachsendes Bewusstsein, dass Israels militärische Offensive in Gaza langfristig keine Sicherheit bringen kann. Andererseits fehlt jede realistische Perspektive für eine Wiederaufnahme von Friedensgesprächen.

Die USA, traditionell Schutzmacht Israels, setzen auf taktische Vermittlung, ohne an der Grundkonstellation zu rütteln. Europa mahnt zu Zurückhaltung, bleibt aber außenpolitisch weitgehend machtlos. Die arabischen Staaten kritisieren Israels Vorgehen, ohne jedoch eine gemeinsame Strategie zur Unterstützung der Palästinenser durchzusetzen.

Der Anschlag von Jerusalem zeigt, wie verfahren die Situation ist: Auf Gewalt folgt Gegengewalt, flankiert von einer Sprache, die jede Seite weiter entmenschlicht. Der Ruf nach einer politischen Lösung, wie ihn Macron erhob, klingt in diesem Kontext beinahe wie eine ferne Utopie. Doch ohne eine solche Perspektive wird die Spirale der Gewalt kaum zu durchbrechen sein.

Autor: Daniel Ivers

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