Tag & Nacht




Mitten im April verwandelt sich das Herz der französischen Alpen in ein weißes Wunderland – oder besser gesagt: in ein logistisches Albtraum-Szenario. Während anderswo schon die ersten Blumen blühen, versinkt die Region zwischen Savoie und Haute-Savoie unter massiven Schneemassen. Doch wer jetzt an romantische Winterspaziergänge denkt, liegt daneben – hier herrschen Ausnahmezustände.

Stromausfall im Schneegestöber

Allein am Donnerstagmorgen, dem 17. April, meldete der Stromnetzbetreiber Enedis rund 6.400 Haushalte ohne Elektrizität. Besonders betroffen: die Gemeinden Bourg-Saint-Maurice, Les Allues und Saint-Martin-de-Belleville in der Savoie sowie Chamonix und Passy in der Haute-Savoie. Der Grund? Umgestürzte Bäume und schwere Äste, die unter der Last des Schnees nachgaben und Stromleitungen beschädigten. Das größte Problem für die Reparaturteams: Der Zugang zu den betroffenen Stellen ist oft nur unter Lebensgefahr möglich.

Verkehr? Fehlanzeige.

Autofahrer und Zugreisende mussten in den vergangenen Tagen starke Nerven beweisen. Zahlreiche Straßen in den Tälern der Tarentaise und Maurienne wurden aus Sicherheitsgründen gesperrt. Besonders heikel: Der Mont-Blanc-Tunnel wurde für Lkw komplett dichtgemacht – auch auf der Autobahn A43 galten Fahrverbote und Tempolimits. Wer dachte, sich bequem mit dem Zug retten zu können, sah sich ebenfalls getäuscht: Die Strecke zwischen Chambéry und Bourg-Saint-Maurice wurde unterbrochen. Schnee, so weit das Auge reicht – und kein Durchkommen.

Lawinen: Lautlose Gefahr mit voller Wucht

Météo-France rief für die Savoie die zweithöchste Warnstufe aus – Orange wegen Lawinengefahr. Kein Wunder: So viel Neuschnee in so kurzer Zeit erhöht den Druck auf die Schneedecke. In Val Thorens kam es zu einem tragischen Zwischenfall, als eine Person von einer Lawine verschüttet wurde. Ihr Zustand ist kritisch. Auch in anderen Gebieten erreichten die Schneemassen bereits die Talsohlen. Und ganz ehrlich – will man bei solch einer Unberechenbarkeit wirklich noch das Haus verlassen?

Der Staat greift ein – mit klaren Ansagen

Die Behörden reagieren schnell. In Tignes etwa gilt derzeit ein striktes Bewegungsverbot – zu Fuß oder mit dem Auto unterwegs zu sein, ist schlicht untersagt. Es geht darum, Leben zu schützen. Einsatzkräfte der Polizei, Feuerwehr und Techniker von Enedis sind rund um die Uhr im Einsatz, um Stromleitungen zu reparieren, Straßen freizuräumen und im Notfall sofort eingreifen zu können. Der alpine Ausnahmezustand hat seine eigenen Gesetze – und seine eigenen Helden.

Und wie geht es weiter?

Die Wettermodelle versprechen eine langsame Beruhigung der Lage in den kommenden Tagen. Doch so leicht will man sich nicht in Sicherheit wiegen – die Lawinengefahr bleibt hoch, und manche Bergstraßen könnten noch tagelang unpassierbar sein. Offizielle Stellen rufen zur Zurückhaltung auf: Wer nicht zwingend raus muss, bleibt besser drin. Urlauber, die sich Erholung erhofft hatten, erleben stattdessen ein Abenteuer – allerdings eines, das nicht im Prospekt stand.

Klimachaos im Frühling

Ein derart später Wintereinbruch ist selten, aber kein Einzelfall mehr. Der Klimawandel bringt nicht nur wärmere Sommer, sondern auch extremere Wetterereignisse. Mal fehlt der Schnee im Januar, dann gibt es ihn im April im Überfluss – die Natur zieht ihr eigenes Ding durch. Was bleibt uns da anderes übrig, als mitzuhalten?

Vielleicht ist diese Aprilwoche in den Alpen ein Weckruf. Für besseres Krisenmanagement. Für stärkere Infrastruktur. Für mehr Respekt vor den Launen der Natur.

Und ein bisschen auch dafür, immer eine Thermoskanne Tee und ein Paar dicke Socken griffbereit zu haben – nur für den Fall der Fälle.

Von C. Hatty

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