Tag & Nacht




38,9 Grad. Noch kein Hitzerekord, aber nah dran.

Und in den Betontürmen von Lyon fühlt sich das an wie ein tropisches Dampfbad – ohne Entkommen.

Die „Capitale des Gaules“, wie Lyon sich gern nennt, steckt mitten in einer erbarmungslosen Hitzewelle. Besonders hart trifft es die Bewohnerinnen und Bewohner der städtischen Hochhäuser – vor allem in Vierteln wie Part-Dieu.

Hochhaus plus Sonne gleich Hitzefalle

Was auf dem Papier modern klingt – Glasfassaden, Betonarchitektur, urbane Verdichtung –, wird in einem heissen Sommer zum Alptraum. Diese Bauten speichern Wärme wie ein Schwamm das Wasser. Und geben sie nachts nur zögerlich wieder ab. Das Phänomen ist bekannt: „Städtische Hitzeinseln“. In diesen dicht bebauten Gebieten ist es oft mehrere Grad wärmer als in den umliegenden, grüneren Gegenden.

Ein Grund: Beton heizt sich auf wie eine Herdplatte. Und ohne Bäume, Rasenflächen oder Wasserflächen fehlt die natürliche Klimaanlage.

Wohnungen wie Sauna-Kabinen

Wer in diesen Hochhäusern wohnt, kennt das Problem: Trotz geschlossener Rollläden, trotz Ventilator – die Hitze kriecht durch die Wände. In vielen Wohnungen gibt es keine Klimaanlage. Oder sie ist im Dauerbetrieb zu teuer.

Gerade ältere Menschen, kleine Kinder oder gesundheitlich angeschlagene Personen haben kaum Möglichkeiten, sich ausreichend zu schützen. Schlaf wird zur Herausforderung, der Alltag zur Qual.

Eine Anwohnerin aus einem Wohnturm in der Nähe des Bahnhofs beschreibt es so: „Nachts fühlt sich mein Schlafzimmer an wie ein Backofen – ich schlafe inzwischen auf dem Boden, das ist der kühlste Ort.“

Stadt reagiert mit Notmaßnahmen

Lyon versucht gegenzusteuern: Bibliotheken, Kulturzentren und andere öffentliche Gebäude mit Klimaanlagen wurden als „Kühlräume“ geöffnet. Zudem wurden mobile Trinkwasserstellen eingerichtet – quer durch die Stadt. So soll zumindest die akute Gesundheitsgefahr etwas abgefedert werden.

Doch diese Maßnahmen sind nur Pflaster auf einer tiefer liegenden Wunde.

Urbaner Klimaschutz fängt beim Bauen an

Die aktuelle Hitzewelle zeigt: Stadtplanung muss sich verändern. Begrünte Dächer, mehr Bäume, schattige Plätze, kühlende Wasserflächen – all das sind keine Luxuswünsche, sondern Überlebensstrategien für die Städte der Zukunft. Auch die Gebäudestruktur selbst gehört auf den Prüfstand: Wärmedämmung muss nicht nur im Winter schützen, sondern auch im Sommer isolieren. Das gilt für Neubauten ebenso wie für die Sanierung älterer Hochhäuser.

Und wer soll das alles umsetzen?

Politik, Stadtplaner:innen, Architekten – ja. Aber auch Bürgerinnen und Bürger, Vermieter, Wohnungsbaugesellschaften. Es braucht einen Schulterschluss.

Klimaanpassung – oder Hitzeschock?

Lyon ist kein Einzelfall. In vielen europäischen Städten treffen dieselben Probleme auf dieselben Schwachstellen. Aber Lyon zeigt exemplarisch, wie dringend eine klimaresiliente Stadtentwicklung wird.

Die aktuelle Hitzewelle ist kein vorübergehender Ausrutscher – sie ist ein Vorbote dessen, was künftig häufiger kommt.

Wer jetzt nicht reagiert, riskiert mehr als heisse Tage. Es geht um Lebensqualität – und in Extremfällen sogar um Leben.

Autor: Andreas M. B.

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