Elon Musk hat sich öffentlich und mit ungewöhnlich scharfen Worten gegen ein zentrales Gesetzesvorhaben der US-Regierung unter Donald Trump gewandt. Das sogenannte „One Big Beautiful Bill“-Paket (OBBB), das im Mai 2025 das Repräsentantenhaus passierte, vereint Steuererleichterungen, drastische Ausgabenkürzungen und massive Mehrausgaben für Verteidigung in einem einzigen, voluminösen Gesetzespaket. Musks Attacke offenbart einen tiefen Riss im einst engen Verhältnis zwischen dem Tech-Milliardär und dem republikanischen Establishment – und bringt die fragile Einheitsfront der Partei ins Wanken.
Die öffentlichkeitswirksame Wortwahl des Unternehmers – er sprach von einer „widerlichen Abscheulichkeit“ – steht nicht nur in inhaltlichem Kontrast zu Trumps wirtschaftspolitischer Linie. Sie signalisiert auch einen Bruch mit jenem populistisch-konservativen Lager, dem Musk über Jahre als einflussreicher Berater und politischer Unterstützer gegolten hatte.
Inhalt und politische Sprengkraft des Gesetzes
„One Big Beautiful Bill“ ist ein wirtschafts- und finanzpolitisches Mammutprojekt. Offiziell soll es Trumps Steuerreform von 2017 dauerhaft verlängern und ausbauen. In der Praxis bedeutet das: erhebliche Steuererleichterungen für Unternehmen und Spitzenverdiener. Gleichzeitig enthält das Gesetz weitreichende Einschnitte bei sozialen Leistungen – darunter das staatliche Gesundheitsprogramm Medicaid, das Ernährungsprogramm SNAP sowie Fördermittel für Bildung und Wohnungsbau.
Dem gegenüber stehen erhebliche neue Ausgaben: Unter anderem sollen die Verteidigungsausgaben um rund 200 Milliarden Dollar über zehn Jahre steigen, zusätzlich werden 120 Milliarden für den weiteren Ausbau der Grenzsicherung vorgesehen. Laut Berechnungen des überparteilichen Congressional Budget Office (CBO) wird das Defizit der öffentlichen Haushalte durch das Gesetz bis 2035 um bis zu 3,8 Billionen US-Dollar anwachsen – ein Wert, der konservative Finanzpolitiker aufschreckt.
Genau hier setzt auch Elon Musks Kritik an. Der Unternehmer, der zwischenzeitlich das von Trump geschaffene „Department of Government Efficiency“ (DOGE) leitete, warnt vor einer „perversen Umverteilung von unten nach oben“ und einer „unkontrollierbaren Schuldenlast“. In einem Interview mit Time verglich Musk das Gesetz mit einem „explodierenden Koffer voller Wahlgeschenke“, die langfristig und nachhaltig das Vertrauen in die US-Wirtschaft beschädigen würden.
Zerreißprobe für die Republikanische Partei
Die Reaktionen auf Musks Ausbruch lassen nicht lange auf sich warten. Während das Weiße Haus die Vorwürfe als „verzerrt und populistisch“ zurückweist, regt sich in der republikanischen Partei selbst leiser, aber wachsender Widerstand gegen Trumps Vorhaben. Vor allem aus dem libertär-konservativen Lager kommen kritische Stimmen. Der Senator aus Kentucky, Rand Paul, erklärte, das Gesetz sei „kein konservatives Sparprogramm, sondern ein aufgeblähter Wunschzettel“. Auch Mike Lee aus Utah warnte vor den fiskalischen Folgen und forderte eine Überarbeitung.
Trotzdem verteidigte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, die Gesetzesvorlage vehement: „Elon Musk liegt furchtbar falsch. Dieses Gesetz ist ein Sieg für die amerikanische Mittelklasse und für unsere nationale Sicherheit.“ Hinter den Kulissen ist jedoch bekannt, dass selbst in Johnsons Reihen Zweifel an der politischen Tragfähigkeit des Pakets bestehen – nicht zuletzt wegen des zunehmend polarisierten Klimas innerhalb der Partei.
Elon Musk – vom Hofberater zum Dissidenten?
Die politische Bedeutung von Musks Kritik ist kaum zu überschätzen. Über Jahre hinweg war der Tesla- und SpaceX-Gründer nicht nur ein prominenter Unterstützer Trumps, sondern auch ein informeller Ideengeber für Deregulierung und Technologieförderung. Seine Berufung ins DOGE galt als Signal für eine neue Allianz zwischen Silicon Valley und Washington. Nun jedoch hat Musk seinen Rückzug aus der Politik angekündigt und erklärt, er werde seine politischen Spenden „bis auf Weiteres aussetzen“.
Dieser Schritt könnte insbesondere bei jüngeren, technikaffinen Wählern Wirkung zeigen. Während Trumps Basis in ländlichen und konservativen Bundesstaaten stabil bleibt, könnten die urbane Mittelschicht und moderat-republikanische Wählergruppen von Musks Kehrtwende beeinflusst werden. Analysten in Washington sprechen bereits von einer „Musk-Doktrin“ – einer Politik der wirtschaftlichen Rationalität ohne parteipolitischen Gehorsam.
Ökonomische Risiken und strategische Weichenstellungen
Aus ökonomischer Sicht wirft das OBBB fundamentale Fragen zur Nachhaltigkeit der US-Finanzpolitik auf. Bereits heute liegt die Staatsverschuldung bei über 34 Billionen Dollar – ein historischer Höchststand. Die Aussicht auf weitere Defizite verschärft die Unsicherheit an den Finanzmärkten. Internationale Rating-Agenturen haben bereits angedeutet, dass die Kreditwürdigkeit der USA bei ungebremster Schuldenpolitik erneut auf dem Prüfstand stehen könnte.
Zudem droht eine strukturelle Erosion des US-Wohlfahrtsstaates. Die geplanten Kürzungen bei Medicaid und SNAP über 10 Millionen einkommensschwacher Amerikaner treffen – mit potenziell gravierenden gesellschaftlichen Folgen. Insofern stellt sich die Frage, ob das Gesetz als ideologisches Symbolprojekt oder als ernsthafte wirtschaftspolitische Strategie zu verstehen ist.
Noch ist das Gesetz nicht endgültig verabschiedet. Im Senat dürfte es aufgrund der knappen Mehrheitsverhältnisse auf Widerstand stoßen. Einige moderate Republikaner und sämtliche Demokraten haben bereits signalisiert, dass sie in dieser Form nicht zustimmen werden.
Der Bruch mit Musk verleiht der Debatte zusätzliche Dynamik. Sollte es Trump nicht gelingen, die Reihen der Partei zu schließen, könnte das OBBB zum Stolperstein für seine Präsidentschaft werden – und für Musks politische Zukunft ein Neuanfang.
Autor: P.T.
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