Mit einer Rede, die über 25 Stunden und fünf Minuten andauerte, hat der demokratische Senator Cory Booker aus New Jersey ein neues Kapitel in der parlamentarischen Geschichte der Vereinigten Staaten aufgeschlagen. Die Leistung übertraf den bisherigen Rekord von Strom Thurmond aus dem Jahr 1957, der während eines Filibusters gegen den Civil Rights Act über 24 Stunden und 18 Minuten sprach. Doch anders als Thurmonds Rede, die ein fortschrittliches Gesetz verhindern sollte, diente Bookers Marathonansprache einem gegenteiligen Zweck: Sie war ein dramatischer Appell zur Verteidigung der demokratischen Institutionen.
Symbolischer Widerstand im Angesicht politischer Erosion
Bookers Rede war kein Filibuster im engeren Sinne – sie blockierte kein Gesetz, noch verzögerte sie aktiv ein Abstimmungsverfahren. Vielmehr war sie ein symbolischer Akt des politischen Widerstands gegen eine Regierung, die nach Ansicht des Senators „eine ernste und dringende Bedrohung für die amerikanische Demokratie“ darstelle. In seinem Vortrag kritisierte er insbesondere die Maßnahmen der sogenannten „Behörde für Regierungseffizienz“, die unter der Leitung von Elon Musk zentrale Ministerien wie das Bildungs- und das Veteranenministerium zu „optimieren“ versucht – eine Optimierung, die nach Bookers Worten in Wirklichkeit eine systematische Demontage darstelle.
Der Vorwurf an die Trump-Administration ist klar formuliert: ein verfassungswidriges Vorgehen, das durch die Aushöhlung staatlicher Strukturen langfristig die Demokratie schwäche.
Eine Stimme für die Bürger
In seiner Rede las Booker zahlreiche Briefe von Bürgerinnen und Bürgern vor, die von den Regierungsmaßnahmen direkt betroffen seien. Darunter ehemalige Lehrer, Veteranen oder Familien mit Kindern in prekären Lebensverhältnissen. Durch diese persönlichen Geschichten verlieh Booker seinem Protest ein menschliches Gesicht. Seine Anrufung historischer Stimmen – etwa von John Lewis oder John McCain – war dabei nicht nur rhetorisches Mittel, sondern diente als moralischer Rückgriff auf jene Politiker, die für Integrität und Prinzipientreue stehen.
Diese Bezugnahmen hatten eine doppelte Funktion: Einerseits hoben sie die historische Dimension des gegenwärtigen politischen Konflikts hervor, andererseits verorteten sie Booker innerhalb einer Tradition republikanischer und demokratischer Werte, die parteiübergreifend sein soll – zumindest in der Theorie.
Frankreich und Deutschland: Beobachter einer tiefen Spaltung
Die politische Polarisierung, die sich in den USA manifestiert, wird auch in Europa aufmerksam verfolgt. In Frankreich und Deutschland, wo man mit der zweiten Amtszeit Donald Trumps zunehmend auf Distanz geht, sind die Reaktionen auf Bookers Rede zwar zurückhaltend, doch die Signalwirkung bleibt nicht unbeachtet.
In Paris äußerte ein Berater des Élysée-Palastes gegenüber Le Monde, die Rede sei „ein Ausdruck der inneramerikanischen Erschöpfung – aber auch der moralischen Aufrichtigkeit.“ Die französische Regierung, die Trumps Politik offen kritisiert, sieht in Bookers Auftreten ein mögliches Anzeichen für eine Rückkehr zu einem normativen, transatlantischen Konsens – auch wenn dies vorerst auf symbolische Akte beschränkt bleibt.
Auch in Berlin wurde die Aktion registriert. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts kommentierte, man beobachte die Entwicklungen „mit Interesse und Besorgnis“. Der Rückhalt für demokratische Institutionen und der Einsatz für gesellschaftlichen Zusammenhalt, wie ihn Booker betone, seien „grundlegende Elemente jeder freiheitlichen Ordnung“. Hinter diplomatischen Formulierungen verbirgt sich jedoch auch die Erkenntnis, dass Europa derzeit kaum Einfluss auf die inneren Brüche der amerikanischen Demokratie nehmen kann.
Die Demokratie als Dauerstress
Bookers Rede ist weniger ein Wendepunkt als ein Symptom. Sie macht deutlich, wie sehr die politische Kultur der USA von Extremen geprägt ist – sowohl im Regierungshandeln als auch im Widerstand dagegen. Dass ein einzelner Senator sich 25 Stunden an das Rednerpult klammert, ist Ausdruck eines Systems, das institutionelle Balance nur noch durch theatrale Gesten und moralische Appelle zu kompensieren versucht.
Inhaltlich war Bookers Rede ein leidenschaftliches Plädoyer für demokratische Grundwerte, praktisch jedoch bleibt unklar, ob sie über den Moment hinaus Wirkung entfalten kann. Die republikanische Mehrheit im Senat zeigte sich demonstrativ unbeeindruckt; Trumps Lager versuchte die Aktion ins Lächerliche zu ziehen.
Dennoch ist Bookers Marathon kein reines Medienspektakel. In einer politischen Landschaft, in der rationale Debatten zunehmend marginalisiert werden, gewinnt selbst die symbolische Ausdauer einen neuen Wert. Sie erinnert daran, dass demokratische Prinzipien zwar unter Druck geraten können – aber nicht ohne Widerstand.
P.T.
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