Die Welt erwachte am Sonntag zu einer Nachricht, die in der Geschichte des Nahen Ostens eine Zäsur darstellt: Nach einem halben Jahrhundert wurde die Assad-Regierung in Syrien gestürzt. Eine blitzartige Offensive der Rebellen führte innerhalb von nur zehn Tagen zur Einnahme von Damaskus – ein Moment, der nicht nur das Land, sondern die gesamte Region erschüttert.
Ein Blitzkrieg gegen die Macht
Begonnen hatte der Vormarsch der Oppositionskräfte am 27. November. Innerhalb weniger Tage fielen zentrale Städte wie Aleppo, Hama und schließlich Homs, bevor die Rebellen die Hauptstadt Damaskus erreichten. Unterstützt wurde der Vorstoß maßgeblich von der Gruppe Hayat Tahrir al-Sham (HTS), einer ehemaligen al-Qaida-Abspaltung, die den Sturm auf das Regime anführte. Die syrische Armee, über Jahre durch Krieg und internationale Sanktionen geschwächt, leistete kaum Widerstand.
Ein Meilenstein des Sieges war die Einnahme des berüchtigten Militärgefängnisses Saydnaya, nördlich der Hauptstadt. Dort befreiten die Rebellen Hunderte Gefangene – ein symbolischer Akt, der in Syrien wie ein Leuchtfeuer der Hoffnung wirkte.
Assads Flucht – das Ende einer Ära?
Während die Hauptstadt in Jubel und Chaos versank, wurde gemeldet, dass Präsident Baschar al-Assad das Land verlassen habe. Nach Informationen der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte soll er sich auf einem Flug ins Ausland befinden. Wo genau er sich aufhält, bleibt unklar. Staatliche syrische Medien behaupten weiterhin, Assad sei in Damaskus und erfülle seine Amtsgeschäfte – doch die Bilder von verlassenen Regierungsposten und leerstehenden Ministerien sprechen eine andere Sprache.
Auch der syrische Premierminister Mohammad Ghazi al-Jalali meldete sich zu Wort. In einer Videobotschaft erklärte er, dass er sich weiterhin in Damaskus befinde und die Regierung bereit sei, die Macht an eine Übergangsregierung zu übergeben. „Wir dürfen unser Land nicht zerstören“, appellierte er und rief dazu auf, öffentliche Gebäude zu schützen.
Jubel und Unsicherheit in den Straßen
Während die Sonne über Damaskus aufging, verwandelte sich die Stadt in eine einzige Feiermeile. Tausende strömten auf die Straßen, skandierten anti-Assad-Parolen und begrüßten die Befreiung. Doch die Euphorie wurde von Chaos und Angst begleitet: Plünderungen in Regierungsgebäuden, Schlangen an geschlossenen Geschäften und ein Run auf die Grenze zu Libanon prägten das Bild.
Ein Anwalt namens Omar Daher, dessen Vater vom Assad-Regime getötet wurde, sagte: „Die Angst, die wir 50 Jahre lang ertragen mussten, ist endlich vorbei. Es ist unfassbar – wie ein Traum.“
Der Blick nach vorne
Während die internationale Gemeinschaft über die nächsten Schritte berät, stellt sich die Frage: Was bedeutet der Sturz der Assad-Regierung für Syrien und die Region? Geir Pedersen, Sondergesandter der Vereinten Nationen für Syrien, forderte dringend Verhandlungen für eine geordnete politische Übergabe. Auch Außenminister aus Ländern wie Russland, Saudi-Arabien und Iran kamen zusammen, um eine politische Lösung zu diskutieren.
Russland, lange Zeit ein enger Verbündeter Assads, zeigte sich zurückhaltend. Außenminister Sergej Lawrow äußerte Bedauern über die Lage des syrischen Volkes, ohne konkrete Unterstützung anzubieten. Iran und die libanesische Hisbollah, beide einst wichtige Stützen des Regimes, kämpfen derzeit mit eigenen Herausforderungen – was Assads Isolation zusätzlich verstärkte.
Was bleibt von Assad?
Der Sturz des Assad-Regimes ist nicht nur das Ende einer politischen Ära, sondern auch ein Weckruf für autokratische Herrscher weltweit. Baschar al-Assad und sein Vater Hafiz al-Assad hielten das Land über fünf Jahrzehnte mit eiserner Hand unter Kontrolle. Doch die Unzufriedenheit der Bevölkerung, gepaart mit einem Jahrzehnt Bürgerkrieg und wachsender Isolation, ließ dieses Machtkonstrukt schließlich zerbrechen.
Aber was passiert jetzt? Können die Opposition und die Bevölkerung das Land wiederaufbauen, oder wird Syrien in ein weiteres Kapitel von Instabilität und Gewalt gestürzt? Die Zeit wird zeigen, ob dieser Umbruch die ersehnte Freiheit bringt – oder nur neue Konflikte entfacht.
Eine Ära ist zu Ende gegangen, doch das nächste Kapitel beginnt erst. Ist es ein Neuanfang – oder nur ein weiterer Sturm, der über Syrien hinwegzieht?
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