Tag & Nacht




Vom 28. April bis zum 4. Mai 2025 steht Korsika ganz im Zeichen der Entwaffnung. Unter dem Motto „Déposons les armes“ ruft der französische Staat die Bevölkerung dazu auf, illegale oder unangemeldete Schusswaffen straffrei abzugeben. Ziel: ein friedlicheres Zusammenleben auf einer Insel, die seit Jahren mit einer außergewöhnlich hohen Waffendichte und wiederkehrenden Gewalttaten zu kämpfen hat.

Eine Insel, zwei Realitäten

Mit einem Schnitt von 350 Waffen auf 1.000 Einwohner liegt Korsika weit über dem Landesdurchschnitt von 150. Das allein ist schon alarmierend. Doch was wirklich nachdenklich stimmt, ist der Zusammenhang mit der hohen Rate an Tötungsdelikten, die die Insel 2024 verzeichnete. Es sind nicht nur Zahlen – es geht um echtes Leid, echte Menschen, echtes Risiko im Alltag.

Die Waffe im Nachtschrank? Für viele Korsen ist das normal. Manche behalten sie aus Angst, andere aus alter Tradition oder wegen eines tief sitzenden Misstrauens gegenüber staatlichen Strukturen. Ein gefährlicher Cocktail.

Abgeben – ohne Fragen, ohne Konsequenzen

Die Aktion funktioniert denkbar einfach: Wer eine Waffe besitzt – ob Erbstück, Fundstück oder vergessenes Jagdgewehr – kann diese in speziellen Sammelstellen abgeben. In Bastia, Ajaccio, Corte, Calvi, Porto-Vecchio und weiteren Städten stehen die Türen offen. Zwischen 9 und 17 Uhr kann man vorbeikommen – keine Anzeige, keine Ermittlungen, kein Papierkrieg. Nur ein kurzes Formular, das den Verzicht dokumentiert.

Und klar: Kriegswaffen, Granaten oder Sprengstoff gehören nicht dazu. Wer solche Dinge besitzt, muss sich gesondert an die Polizei wenden. Aber für die meisten Waffen in den korsischen Haushalten gilt: Jetzt ist die Chance, sie loszuwerden – ganz ohne Ärger.

Die Waffe als Machtinstrument?

Auf Korsika bedeutet eine Waffe nicht nur Schutz. Sie ist für viele auch ein Symbol – für Kontrolle, für Stärke, für Zugehörigkeit. Das ist tief verwurzelt in der Kultur, gespeist aus jahrzehntelangen Spannungen zwischen Staat und Bevölkerung.

Doch diese Symbolik hat ihren Preis. Immer wieder kommt es zu tödlichen Auseinandersetzungen, manchmal im Kontext organisierter Kriminalität, manchmal aus persönlichen Konflikten heraus. Wer schießt, zerstört nicht nur Leben – er verlängert einen Kreislauf, der ganze Familien, Dörfer und Generationen vergiftet.

Die Initiative „Déposons les armes“ ist ein erster, wichtiger Schritt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Und ja – er verlangt Mut. Denn es ist nicht leicht, sich zu entwaffnen, wenn man gelernt hat, mit der Faust auf den Tisch zu hauen statt auf Dialog zu setzen.

Vorbilder in Übersee

Andere Regionen Frankreichs haben es vorgemacht. In Überseegebieten wie Martinique und Guadeloupe wurden ähnliche Kampagnen gestartet – mit durchaus messbarem Erfolg. Die Zahl der illegalen Waffen ging zurück, das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung stieg.

Auch dort war es anfangs schwer, Vertrauen aufzubauen. Doch mit der Zeit zeigte sich: Wer offen mit den Menschen spricht, wer Verständnis zeigt und nicht mit dem Zeigefinger droht, der gewinnt Partner – nicht Gegner.

Warum also sollte das nicht auch auf Korsika funktionieren?

Ein Zeichen der Hoffnung

Die Behörden setzen auf Zusammenarbeit statt Repression. Sie erkennen an, dass Vertrauen nicht verordnet werden kann – es muss wachsen. Und diese Woche der Entwaffnung ist ein Angebot. Ein Angebot, das auf Freiwilligkeit basiert. Auf Respekt. Und auf der Hoffnung, dass die Insel eine Zukunft ohne Knall, ohne Einschusslöcher und ohne Rache kennt.

Natürlich wird das Problem nicht in sieben Tagen verschwinden. Natürlich wird es Rückschläge geben. Aber mit jedem abgegebenen Lauf, jeder eingesammelten Patrone wird ein Funke gelegt – für mehr Sicherheit, mehr Frieden, mehr Normalität.

Was kommt danach?

Die große Frage lautet: Reicht eine solche Aktion aus? Nein – nicht allein. Sie braucht Nachklang. Begleitende Präventionsarbeit. Bildung. Ansprechbarkeit. Und das ehrliche Interesse des Staates, nicht nur Waffen einzusammeln, sondern die Ursachen für ihre Verbreitung anzugehen.

Doch sie ist ein Anfang. Und jeder Anfang beginnt mit einem Schritt.

Autor: C. Hatty

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