Er kommt leise, fast heimlich. Kein Feuerwerk, kein Hashtag-Hagel, keine PR-Kampagnen großer Marken: Am 3. November ist Weltmännertag. Ein Tag, der – man mag es kaum glauben – tatsächlich existiert. Doch während der Internationale Frauentag am 8. März längst fest im gesellschaftlichen Bewusstsein verankert ist, bleibt das männliche Pendant ein Phantom im Kalender. Kaum jemand weiß, dass es ihn gibt. Noch weniger wissen, wofür er eigentlich steht.
Ursprünglich wurde der Weltmännertag im Jahr 2000 von der Andrologie-Abteilung der Universität Wien ins Leben gerufen – initiiert mit Unterstützung der WHO. Das Ziel war nicht, Männer zu feiern, sondern sie zum Nachdenken zu bringen. Es geht um Gesundheit, Prävention, Eigenverantwortung. Ein Tag, um darauf aufmerksam zu machen, dass Männer im Schnitt fünf Jahre früher sterben als Frauen, häufiger an Herz-Kreislauf-Erkrankungen leiden und deutlich seltener zum Arzt gehen. Ein nüchterner, medizinischer Ansatz – kein Anlass für Blumen oder Geschenke.
Der gesellschaftliche Blick auf Männer hat sich verändert. Zwischen den Extremen von „toxischer Männlichkeit“ und dem Ringen um neue Rollenbilder ist der Mann selbst zur Debatte geworden. Der Weltmännertag könnte also gerade heute ein Ort der Besinnung sein – jenseits von Macho-Klischees und Opfermythen. Aber er bleibt es nicht.
Warum eigentlich?
Vielleicht, weil Männerthemen oft mit einem doppelten Makel behaftet sind: Wer sie anspricht, gilt schnell als rückwärtsgewandt oder empfindlich. In einer Zeit, in der Gleichberechtigung endlich ernst genommen wird, scheint das Nachdenken über männliche Bedürfnisse fast verdächtig. Dabei geht es hier nicht um Konkurrenz, sondern um Balance.
Denn Männergesundheit ist mehr als die jährliche Prostatavorsorge. Sie ist auch psychisch, sozial, emotional. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Drei von vier Suiziden in Franbkreich und Deutschland werden von Männern begangen. In Beratungsstellen berichten Fachleute von Männern, die nie gelernt haben, über Sorgen zu sprechen – weil Schwäche zeigen „nicht männlich“ sei. Diese Haltung, tief verwurzelt in Generationen von Rollenerwartungen, fordert ihren Preis.
Der Weltmännertag wäre die Gelegenheit, darüber öffentlich zu reden. Doch stattdessen herrscht Schweigen. Der 3. November bleibt ein stiller Randnotiz-Tag. Vielleicht, weil es schwer ist, Männlichkeit positiv zu definieren, ohne in alte Muster zu verfallen. Vielleicht, weil Männer selbst sich scheuen, über ihre eigenen Probleme zu sprechen. Oder vielleicht, weil wir als Gesellschaft einfach noch keinen Umgang damit gefunden haben, das männliche Selbstbild neu zu erzählen.
Und doch wäre es dringend nötig.
Denn das alte Ideal – stark, unverwundbar, versorgend – trägt nicht mehr. Junge Männer suchen nach Orientierung zwischen Leistungsdruck, Selbstoptimierung und der Angst, „nicht genug“ zu sein. Sie sind Väter, Partner, Söhne – und Menschen, die sich fragen, was Männlichkeit heute überhaupt bedeutet.
Ein Weltmännertag, der diesen Fragen Raum gibt, wäre kein Anachronismus, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Reife. Er könnte Brücken schlagen zwischen Geschlechtern statt Gräben zu vertiefen. Zwischen Körper und Seele, zwischen Anspruch und Wirklichkeit.
Vielleicht braucht es dazu gar keine großen Reden. Sondern einfach ehrliche Gespräche. Über Fürsorge statt Funktionieren. Über Zuwendung statt Zynismus. Über Gesundheit – im weitesten Sinne.
Denn Gleichberechtigung funktioniert nur dann, wenn beide Geschlechter gesund, offen und selbstbewusst in die Zukunft blicken. Der Weltmännertag könnte ein Symbol dafür sein – wenn man ihn denn endlich ernst nimmt.
Bis dahin bleibt er ein Tag, der still vorbeizieht. Fast unsichtbar.
Aber vielleicht ist genau das der Moment, um hinzuschauen.
Autor: Andreas M. Brucker
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