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Die bevorstehende Zusammenkunft zwischen US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Washington steht im Zeichen eines geplanten Abkommens, das den USA Zugang zu den mineralischen Ressourcen der Ukraine gewähren soll. Während Trump den potenziellen Wert dieser Ressourcen auf eine Billion US-Dollar schätzt und Selenskyj von einem „unbezahlbaren“ Reichtum spricht, bleibt der tatsächliche ökonomische Wert dieser Mineralien unklar.

Reichtum unter der Erde: Potenzial und Realität

Die Ukraine verfügt über bedeutende Vorkommen an seltenen Mineralien wie Lithium, Graphit, Titan und Uran. Schätzungen zufolge beläuft sich der Gesamtwert dieser Ressourcen auf mehrere Billionen US-Dollar. Diese Mineralien sind essenziell für moderne Technologien, insbesondere für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge, die Luft- und Raumfahrtindustrie sowie für die Energiewirtschaft.

Allerdings sind viele dieser Vorkommen bislang unerschlossen, und ein erheblicher Teil befindet sich in von Russland kontrollierten Gebieten, was den Zugang und die Förderung erschwert. Besonders im rohstoffreichen Donbas liegen große Reserven an strategisch wichtigen Metallen, deren Nutzung in Kriegszeiten praktisch unmöglich ist.

Herausforderungen bei der Erschließung

Die Förderung und Verarbeitung dieser Mineralien erfordert Investitionen in Milliardenhöhe. Die vorhandene Infrastruktur stammt größtenteils aus der Sowjetzeit und bedarf einer umfassenden Modernisierung. Sowohl der Abbau als auch die Weiterverarbeitung, insbesondere bei Mineralien wie Lithium, sind aufgrund der geologischen Beschaffenheit der Lagerstätten technisch anspruchsvoll und teuer.

Ein besonders wichtiger Rohstoff ist Titan. Die Ukraine zählt zu den wenigen Ländern, die dieses Metall in relevanten Mengen produzieren können. Doch die Verarbeitung zu „Titan-Schwamm“, dem Grundstoff für industrielle Anwendungen, ist ein energieintensiver und kostspieliger Prozess. Auch bei Graphit, einem entscheidenden Material für Batterien und Hochtechnologie-Anwendungen, sind teure zusätzliche Raffinationsschritte notwendig, um marktfähige Produkte herzustellen.

Geopolitische Implikationen und Sicherheitsbedenken

Ein weiterer kritischer Aspekt ist die Sicherheitslage in der Ukraine. Die Entwicklung neuer Bergbauprojekte kann Jahrzehnte dauern, und Investoren benötigen stabile politische und sicherheitspolitische Rahmenbedingungen. Selenskyj strebt daher Sicherheitsgarantien von den USA an, während Trump betont, dass die Verantwortung hierfür hauptsächlich bei den europäischen Verbündeten liege.

Ohne klare Sicherheitszusagen bleibt die Investitionsbereitschaft internationaler Akteure begrenzt. Unternehmen zögern, große Summen in ein Land zu investieren, dessen territoriale Integrität nicht gesichert ist. Auch die Transport- und Exportmöglichkeiten sind durch die Kriegsfolgen stark beeinträchtigt.

Wirtschaftliche Realitäten und globale Märkte

Obwohl die Ukraine über bedeutende Mineralressourcen verfügt, ist deren wirtschaftliche Nutzbarkeit fraglich. Der globale Markt wird von Ländern wie China dominiert, die aufgrund niedrigerer Produktionskosten wettbewerbsfähiger sind. Chinesische Firmen haben über Jahrzehnte hinweg Lieferketten für seltene Mineralien aufgebaut, während westliche Unternehmen mit hohen Energiepreisen und strengen Umweltauflagen konfrontiert sind.

Zudem sind Rohstoffe allein nicht ausreichend – entscheidend ist die industrielle Weiterverarbeitung. Die USA haben ihre eigene Produktion von Titan-Schwamm bereits 2020 eingestellt, weil Importe günstiger waren. Ähnlich ist die Situation bei anderen kritischen Mineralien: Solange alternative Anbieter zu niedrigeren Kosten anbieten, bleibt die wirtschaftliche Rentabilität eines großflächigen ukrainischen Bergbaus fraglich.

Ein langfristiges Projekt mit unsicherem Ausgang

Während die USA und die Ukraine über ein Rohstoffabkommen verhandeln, bleibt die tatsächliche ökonomische Tragfähigkeit der Pläne ungewiss. Die Erschließung und Verarbeitung der Rohstoffe erfordert nicht nur hohe Investitionen, sondern auch eine stabile geopolitische Lage. Ohne Sicherheitsgarantien und langfristige Zusagen von Investoren könnte das große Potenzial der ukrainischen Mineralien noch lange ungenutzt bleiben.

Von Andreas Brucker

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