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Seit dem Beginn seiner zweiten Amtszeit verfolgt US-Präsident Donald Trump eine Politik, die zentrale wissenschaftliche Institutionen und Forschungsbereiche empfindlich trifft. Mit massiven Budgetkürzungen, strukturellen Eingriffen in Bundesbehörden und ideologisch motivierten Restriktionen gefährdet seine Administration die Grundlagen der amerikanischen Forschung. Die Auswirkungen dieser Entwicklung reichen weit über die Landesgrenzen hinaus.

Gesundheitsforschung unter politischem Druck

Ein Hauptziel der politischen Neuausrichtung ist die Gesundheitsforschung. Das National Institutes of Health (NIH), als wichtigste Einrichtung der medizinischen Grundlagenforschung, soll laut aktuellem Haushaltsentwurf fast die Hälfte seines Budgets verlieren. Aus rund 48 Milliarden US-Dollar im vorherigen Etat würden nur noch etwa 27 Milliarden bleiben. Bereits vor dieser drastischen Kürzung war es in den ersten Monaten von Trumps zweiter Amtszeit zu umfassenden Streichungen gekommen. Forschungsprojekte im Bereich Infektionskrankheiten, Impfstoffentwicklung oder seltener Krankheiten wurden sistiert oder ganz beendet.

Infolge der Finanzpolitik mussten zahlreiche Universitäten, darunter Columbia und Harvard, wissenschaftliches Personal entlassen und Programme einstellen. Allein Columbia verlor durch den Wegfall staatlicher Zuschüsse rund 400 Millionen Dollar, was zum Abbau von rund 180 Stellen führte. Selbst große, international renommierte Forschungsgruppen mussten ihre Arbeiten einstellen. Prominente Stimmen aus dem akademischen Bereich sprechen von einem Bruch mit dem jahrzehntelangen Selbstverständnis der USA als führende Wissenschaftsnation.

Eingriffe in die Klimaforschung

Kaum ein Bereich ist so stark von politischen Ideologien geprägt wie die Klimawissenschaft – insbesondere unter Präsident Trump. Die National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA), zuständig für die Wetterüberwachung und Meeresforschung, steht vor einer Budgetkürzung von über einer Milliarde Dollar. Auch personell wird die Behörde massiv geschwächt. Hunderte Mitarbeitende verloren bereits ihre Anstellungen, darunter auch Autoren eines umfassenden Klimaberichts, der in früheren Jahren als Grundlage für Gesetzgebung und Risikobewertungen diente.

Die unmittelbaren Folgen der Kürzungen sind bereits spürbar: Messungen von Wetterballons und atmosphärischen Sonden, die zur Modellierung des globalen Klimas dienen, haben deutlich abgenommen. Zusätzlich wurden Forschungen des US-Landwirtschaftsministeriums zum Klimawandel eingestellt. Die National Science Foundation (NSF), einer der größten Förderer grundlegender Forschung weltweit, steht ebenfalls unter Druck – zahlreiche Programme, insbesondere in den Geowissenschaften, sollen gestrichen werden. Internationale Wissenschaftler beklagen bereits, dass der Zugang zu Satellitendaten und polaren Beobachtungssystemen eingeschränkt wurde.

Raumfahrt im Zeichen politischer Symbolik

Auch die NASA ist von Trumps Wissenschaftsstrategie betroffen. Ihr Budget soll um etwa ein Viertel gekürzt werden, mit besonderem Fokus auf den Abbau der Erdbeobachtungsprogramme. Gleichzeitig werden bemannte Missionen – insbesondere zum Mars – priorisiert. Das Programm Artemis, das eine Rückkehr zum Mond vorsah, wird stark zurückgefahren. Die geplante Raumstation Lunar Gateway könnte vollständig gestrichen werden.

Die Hinwendung zum Mars erfolgt nicht zuletzt aus politischem Kalkül. Der Präsident hat mehrfach öffentlich bekundet, amerikanische Astronauten sollten noch während seiner Amtszeit die erste Fahne auf dem roten Planeten hissen. Die Nähe zu Elon Musk und dessen Unternehmen SpaceX ist in diesem Zusammenhang auffällig. Das private Raumfahrtunternehmen soll maßgeblich an der Umsetzung dieser ehrgeizigen Marspläne beteiligt sein – auf Kosten etablierter, staatlicher Programme.

Wissenschaft unter ideologischer Kontrolle

Die Angriffe auf die wissenschaftliche Unabhängigkeit sind nicht nur finanzieller Natur. In Regierungsdokumenten und Bundesbehörden gelten Begriffe wie „Gender“, „Klima“, „Impfung“ oder „Infectiology“ mittlerweile als heikel oder sind explizit verboten. Wer diese Begriffe verwendet, riskiert dienstrechtliche Konsequenzen. Auch die Förderung von Studien zur Geschlechtervielfalt oder zur medizinischen Versorgung von LGBTQ+-Personen wurde ausgesetzt.

Die politische Einflussnahme geht dabei so weit, dass Universitäten, die sich gegen die politische Agenda stellen, mit Budgetkürzungen oder dem Entzug von Steuervorteilen bedroht werden. So strich die Trump-Regierung der Universität Harvard wegen kritischer Äußerungen über zwei Milliarden Dollar an Fördermitteln. Der Präsident warf der Eliteuniversität vor, „Hass und Dummheit“ zu verbreiten und sprach sich offen dafür aus, dass solche Einrichtungen keine öffentlichen Gelder mehr erhalten sollten.

Während einige Hochschulen wie Columbia auf Trumps Linie einschwenkten und Reformbereitschaft signalisierten, regt sich in anderen Teilen des akademischen Spektrums Widerstand. Mehrere Universitätsleitungen, darunter Yale, Princeton und Brown, warnten Ende April in einer gemeinsamen Erklärung vor „politischer Einmischung in akademische Freiheit“.

Langfristige Folgen für den Wissenschaftsstandort USA

Die Konsequenzen der Wissenschaftspolitik Donald Trumps werden weitreichend sein. Internationale Forscher sprechen von einem zunehmenden „Brain Drain“. Zahlreiche Wissenschaftler, die bislang an US-Institutionen tätig waren, suchen neue Wirkungsstätten – vor allem in Europa. Frankreich hat ein 100-Millionen-Euro-Programm zur Anwerbung betroffener Forscher aufgelegt, die EU stellt zusätzlich 500 Millionen zur Verfügung. Universitäten wie Aix-Marseille verzeichnen hohe Bewerberzahlen.

Zudem droht den USA ein struktureller Verlust ihrer Forschungsführerschaft. Die Abhängigkeit internationaler Institutionen von US-amerikanischen Daten, Technologien und wissenschaftlicher Infrastruktur war bislang beträchtlich. Der Rückzug der USA aus globalen Forschungsnetzwerken hinterlässt eine Lücke, die nur schwer zu füllen ist – aber gefüllt werden wird.

Ein französischer Forscher, seit Jahren in den USA tätig, fasst die Lage pointiert zusammen: Die amerikanischen Universitäten drohen zu „leeren Hüllen“ zu werden. Die Dynamik hinter Trumps Wissenschaftspolitik reiche über seine Person hinaus – sie sei Ausdruck einer ideologischen Wende in Teilen der amerikanischen Gesellschaft und Wirtschaft, insbesondere der Tech-Industrie. Das Verhältnis zwischen Politik und Wissenschaft in den USA steht vor einer historischen Zerreißprobe.

Autor: MAB

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