Tag & Nacht




In den Hochlagen der französischen Alpen, weit oben in der Savoie, kämpft ein kleines Dorf gegen eine stille, wachsende Bedrohung: Ein Gletschersee, entstanden durch den Klimawandel, droht sich schlagartig zu entleeren – mit potenziell verheerenden Folgen für das Tal darunter.

Die Rede ist vom Lac du Grand Marchet. Entstanden erst im Jahr 2020, liegt er auf etwa 2.900 Metern Höhe, gespeist vom schmelzenden Gletscher gleichen Namens. Innerhalb von nur fünf Jahren hat sich der See auf eine Fläche von rund 1,2 Hektar ausgedehnt – ein sichtbares Symptom des sich beschleunigenden Klimawandels.

Doch nicht nur das Wachstum des Sees bereitet Sorgen.

Das eigentliche Risiko liegt in seiner Instabilität.

Ein plötzlicher Bruch seiner eisigen Barrieren könnte eine gewaltige Sturzflut in Gang setzen. Die Folgen? Überflutete Täler, zerstörte Infrastruktur – und Gefahr für Menschenleben.

Wettlauf mit der Natur

Die Behörden lassen nichts unversucht: Unter der Leitung der Gemeinde Pralognan-la-Vanoise und der technischen Umsetzung durch den Dienst für Restauration der Berghänge (RTM) des französischen Forstamtes ONF ist eine groß angelegte Sicherheitsmaßnahme angelaufen.

Das Ziel: den Wasserstand des Sees kontrolliert senken.

Dafür wird ein 110 Meter langer Ablaufkanal direkt in das Eis gegraben. Klingt simpel – ist es aber nicht. Denn um schweres Gerät in diese abgeschiedene Hochgebirgswelt zu bringen, werden Bagger per Helikopter eingeflogen. Eine logistische Meisterleistung, die dem Ernst der Lage entspricht.

Bis Ende August soll das Projekt abgeschlossen sein. Ein ehrgeiziger Zeitplan, der zeigt: Man spielt hier nicht auf Risiko.

Was wie ein technisches Großprojekt klingt, ist zugleich ein Paradebeispiel für umweltverträgliches Krisenmanagement. Der Einsatzort liegt im sensiblen Kerngebiet des Nationalparks Vanoise. Das bedeutet: strengste Auflagen.

Die Arbeiter wohnen in einer ökologischen Einsatzbasis mit Trockentoiletten und Solarduschen. Zum Einsatz kommen ausschließlich biologisch abbaubare Produkte. Und sämtlicher Müll wird sortiert, verpackt und wieder ins Tal gebracht.

Inmitten dieser majestätischen Landschaft wirkt jede Baggerschaufel wie ein Eingriff in eine jahrtausendealte Ordnung – und doch ist es ein Eingriff, der das Gleichgewicht bewahren soll.

Was sich in Pralognan-la-Vanoise abspielt, ist kein Einzelfall.

Überall in den Hochgebirgen der Welt entstehen neue Gletscherseen, gespeist von abtauendem Eis. Und mit jedem neu gefüllten Becken wächst auch das Risiko plötzlicher Überschwemmungen und Bergrutsche. Ein Phänomen, das selbst entlegene Bergregionen zu Brennpunkten globaler Klimafolgen macht.

Die laufende Intervention ist eingebettet in ein nationales Maßnahmenpaket gegen glaziale Naturgefahren. Finanziert wird sie teilweise über den „Fonds zur Vorbeugung schwerer Naturgefahren“ und den „Fonds vert“ des französischen Staates. Auch regionale und nationale Umweltbehörden sind involviert. Diese Zusammenarbeit zeigt: Prävention ist Teamarbeit. Und sie funktioniert am besten, wenn lokale Erfahrung auf staatliche Strukturen trifft.

Die Geschichte vom Lac du Grand Marchet ist kein Katastrophenszenario – sondern ein Kapitel kluger Voraussicht.

Ein Dorf hat nicht gewartet, bis das Wasser kommt. Es hat gehandelt – entschlossen, koordiniert, umweltschonend.

Was bleibt, ist eine Mahnung: Der Klimawandel zeigt sich nicht nur in Grad und Prozent, sondern in wachsenden Seen, wandernden Gletschern – und in der Notwendigkeit, neue Wege zu finden, damit umzugehen.

Denn was heute in Pralognan passiert, kann morgen überall geschehen.

Autor: C.H.

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