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Frankreich erlebt eine der schwersten Hochwasserkrisen der letzten Jahre. Nach dem Durchzug des Tiefdruckgebiets Herminia haben die Départements Ille-et-Vilaine, Morbihan und Loire-Atlantique die höchste Warnstufe, Rot, ausgerufen. Vier weitere Départements im Westen des Landes stehen unter orangefarbener Warnung. Bereits 600 Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden, während die Wassermassen weiter steigen.

Eine Region unter Wasser: Ausmaß der Katastrophe

In Ille-et-Vilaine, besonders betroffen durch die Überflutung des Flusses Vilaine, mussten zahlreiche Bewohner ihre Häuser verlassen. Seit Sonntag wurden insgesamt 600 Personen, darunter auch Bewohner von Pflegeeinrichtungen, evakuiert. Am Montagabend wurde ein Pflegeheim in Bruz, südlich von Rennes, mit 73 Bewohnern geräumt. Bislang sind keine Opfer zu beklagen, doch die Auswirkungen auf die Infrastruktur und das Alltagsleben sind massiv.

Die Vilaine erreichte in der Stadt Guichen einen Rekordstand von 4,74 Metern und übertraf damit den historischen Höchstwert von 4,71 Metern. Dominique Delamarre, Bürgermeister von Guichen, zeigte sich besorgt: „Der Pegelanstieg hat zwar gestoppt, aber wir bleiben vorsichtig, da für morgen wieder erhebliche Regenfälle vorhergesagt sind.“ Von den 314 betroffenen Wohnungen wurden 150 geräumt, die Bewohner vorübergehend bei Freunden oder in Notunterkünften untergebracht.

Verkehr und Infrastruktur lahmgelegt

Die Überschwemmungen bringen den Verkehr in der Region weitgehend zum Erliegen. Der Bahnverkehr auf den Strecken Rennes-Redon und Rennes-Saint-Malo ist in beiden Richtungen unterbrochen. Ein überfluteter Tunnel bei Messac und ein umgestürzter Baum bei Montreuil-sur-Ille erschweren die Reparaturarbeiten. Auch das Straßennetz ist stark beeinträchtigt. Laut Bison Futé, der französischen Verkehrsbehörde, sind zahlreiche Straßen unpassierbar.

Zusätzlich meldet der Netzbetreiber Enedis, dass am Dienstagmorgen etwa 2.300 Haushalte in der Bretagne ohne Strom waren. Die Feuerwehr in Ille-et-Vilaine war seit Beginn der Krise mehr als 200 Mal im Einsatz und brachte über 100 Menschen in Sicherheit.

Ursachen und Auswirkungen: Die Rolle des Klimawandels

Die heftigen Regenfälle, ausgelöst durch das Tiefdruckgebiet Herminia, haben innerhalb weniger Tage zu massiven Überflutungen geführt. Experten machen den Klimawandel für die Häufung solcher Extremwetterereignisse verantwortlich. Laut einem Bericht von Météo-France nehmen sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit von Starkregenereignissen in Frankreich zu. Dies führt nicht nur zu Überflutungen, sondern auch zu langfristigen Schäden an der Infrastruktur und erhöhten Kosten für die Gemeinden.

Der Bürgermeister von Guichen sieht sich mit den Grenzen der lokalen Ressourcen konfrontiert. „Die Situation zeigt deutlich, dass wir auf nationaler Ebene mehr Unterstützung und langfristige Lösungen brauchen, um solchen Katastrophen zu begegnen“, so Dominique Delamarre.

Politische und wirtschaftliche Konsequenzen

Die Hochwasserkatastrophe wirft auch politische Fragen auf. Die Regierung in Paris steht unter Druck, die betroffenen Regionen schnell und effektiv zu unterstützen. Premierministerin Élisabeth Borne kündigte an, dass zusätzliche finanzielle Mittel für den Katastrophenschutz bereitgestellt werden. Zugleich wird über eine Reform des Hochwasserschutzes diskutiert, die präventive Maßnahmen und eine bessere Koordination zwischen den Regionen vorsieht.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind erheblich. Neben den direkten Kosten für Evakuierungen und Infrastrukturreparaturen drohen auch langfristige Verluste für Landwirtschaft und Tourismus. Besonders hart trifft es die Regionen entlang der Vilaine, wo Felder überschwemmt und zahlreiche Betriebe beschädigt wurden.

Ein Ausblick: Notwendigkeit langfristiger Maßnahmen

Die aktuelle Katastrophe verdeutlicht die Dringlichkeit, den Hochwasserschutz in Frankreich zu verstärken. Experten fordern Investitionen in wasserspeichernde Infrastrukturen, eine bessere Renaturierung von Flüssen und eine konsequentere Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen. Zudem wird die Zusammenarbeit zwischen lokalen und nationalen Behörden als entscheidend angesehen, um im Krisenfall schnell reagieren zu können.

Die kommenden Tage bleiben kritisch. Météo-France hat weitere Regenfälle angekündigt, die die Situation verschärfen könnten. Für die betroffenen Regionen bedeutet dies, dass sowohl kurzfristige Evakuierungsmaßnahmen als auch langfristige Präventionsstrategien erforderlich sind, um künftige Katastrophen zu vermeiden. Frankreich steht vor einer Bewährungsprobe, die weit über die aktuellen Überschwemmungen hinausweist.


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